262 WANDERUNGEN
nachmittags unsere Regimentskapelle zu spielen pflegte. Und die schönen
Sommerabende am Rhein im Kleyschen Garten am Koblenzer Tor oder in
den anmutigen Anlagen des Hotels Royal, wo wir mit dem Blick auf den
deutschen Strom ,„Schorle-Morle‘ tranken, eine köstliche Mischung von
Moselwein und Selterwasser.
Die reizende Umgebung lockte zu ausgedehnten Fußwanderungen wie
zu flotten Ritten. Wir bestiegen den hohen Turm der Burg Godesberg, die,
auf der Stelle eines römischen Kastells im dreizehnten Jahrhundert von den
Erzbischöfen von Köln erbaut, später in den Wirren des sechzehnten Jahr-
hunderts von bayrischen Truppen erstürmt und zerstört worden war. Weit
und schön war die Aussicht von oben auf das Gebirge und die Ebene.
Innerhalb des Burgrings von Godesberg lag der friedliche Gottesacker des
Dorfes. Ich war so eingenommen vom Rhein, daß ich den Wunsch hatte,
auf dem Godesberger Kirchhof begraben zu werden. Wir wanderten nach
Plittersdorf und aßen dort im Schaumburger Hof vorzüglichen Milchkäse,
der „Makey““ hieß. Wir kehrten in Walporzheim ein und stärkten uns im
St. Peter und im St. Joseph an dem berühmt-kräftigen Rotwein. Gern
aßen wir in Altenahr bei Winkler in seinem Garten an der Ahr
„Rümpchen‘“, kleine, ungekochte, in Essig zubereitete Fische. Und mit
ernsteren Gedanken stiegen wir zur Apollinaris-Kirche empor, die, weithin
sichtbar, sich auf steil abfallendem Schieferfels erhebt. Das Haupt des
heiligen Apollinaris, des hochverehrten Bischofs von Ravenna, hatte Kaiser
Rotbart einst nach Köln überführen wollen. Als aber, von einer geheimnis-
vollen Macht gelenkt, das Schiff mit der kostbaren Reliquie vor Remagen
mitten im Rheinstrom stehen blieb, wurde in der Nähe eine Kirche erbaut
und in dieser die Reliquie ausgestellt. Nahe dem Schauplatz dieser an-
mutigen Legende spreizte sich leider das Banale, die Apollinaris- Quelle,
deren Wasser der Prinz von Wales, der nachmalige König Eduard VII., in
Mode brachte, wie er ja auch den runden Hut, den Homburg-Hat, lanciert
hat. The Apollinaris Company Limited versandte jährlich viele Millionen
Flaschen.
Wir bestiegen den Kreuzberg, von wo man nach Norden das gesamte
Rheintal überblickt, freundliche Dörfer und Weiler, Bensberg mit seiner im
alten Schloß untergebrachten Kadettenanstalt, aus der ausgezeichnete
Männer, wie der 1906 verstorbene Arbeitsminister Hermann Budde, her-
vorgingen, das Bergische Land und im Hintergrund das große, das heilige
Köln mit dem Ewigen Dom.
Noch herrlicher war die Aussicht vom Drachenfels auf Rheinebene und
Eifel, der schönste Blick am ganzen Rhein, eine Aussicht, die Childe Harold
fast ebenso sehr entzückte wie Schloß Chillon am Genfer See und St. Peter
in Rom: