Das Examen
bestanden
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Bergen. Er war der Sohn eines Rinderhirten. Er besaß den klaren, nüch-
ternen, elastischen, realpolitischen Verstand, der die Kurie seit fünfzehn-
hundert Jahren durch viele Stürme geführt und der auch das moderne
Italien aufgebaut hat, das unser stolzes Bismarcksches Reich überdauerte.
Kurd von Schlözer erzählte mir im Januar 1886, er habe, als er 1882
von Bismarck nach Rom gesandt wurde, um den Frieden mit der Kurie
anzubahnen, einmal an einem schönen Nachmittag an dem hölzernen Tisch
einer Österia mit einigen ihm befreundeten Prälaten Vino di Orvieto
getrunken. Die Prälaten sprühten von Geist und Witz. Da habe er zu ihnen
gesagt: „Ach, wenn unser Bismarck nur ein einziges Mal in seinem Leben
mit euch in der römischen Campagna Vino di Orvieto getrunken und
offenherzig geplaudert hätte, so würde er nicht den Unsinn des Kultur-
kampfes gemacht haben.“ Die Prälaten lächelten, und der älteste Monsignore
klopfte Schlözer auf die Schulter mit den Worten: „Questo bravo ministro
di Prussia non & mica un minchione.“ (Dieser treffliche preußische Ge-
sandte ist gar nicht so dumm.) Bismarck war noch weniger ein „minchione“
als Schlözer, aber er hat meist nur ganz verstanden, was er mit seinen
eigenen Augen gesehen hatte. Abstrakte Vorstellungen, Erzählungen
anderer, Lektüre sagten ihm nicht viel. Und dann: Wem gelingt es? Trübe
Frage, der das Schicksal sich vermummt! Auch die Allergrößten haben
geirrt, haben schwer geirrt, aber sie unterscheiden sich dadurch von den
Narren, daß sie nicht im Irrtum verharren, sondern vom Irrtum wieder zur
Wahrheit reisen, daß sie, um einen Lieblingsausdruck von Bismarck zu
gebrauchen, „wenden“ können, bevor der Wagen in den Abgrund saust.
Die Erregung, die der Kulturkampf in das öffentliche Leben Deutsch-
lands brachte, konnte meinen Freund Arenberg und mich nicht in unserer
emsigen Vorbereitungsarbeit beirren. Wir taten unser Bestes und gingen
Mitte März 1872 zusammen ins Examen. Wie fünf Jahre früher beim
Abiturium in Halle und später bei meinem diplomatischen Examen
entnahm ich auch dem Verlauf der Greifswalder Prüfung, daß die staat-
lichen Examina einen sicheren Maßstab für das Wissen und die Kenntnisse
des Examinanden kaum liefern können. Mein lieber Arenberg war ein
besserer Jurist als ich. Aber da ich ihm an Schlagfertigkeit, dialektisch
und eristisch (im Schopenhauerschen Sinne) überlegen war, schnitt ich
besser ab als er. Meine Prüfung durch Professor E. I. Bekker glich mehr
einer Disputation als einem Examen. Der große Rechtslehrer, der schon
meine schriftliche Arbeit über eine Frage des Pfandrechts sehr günstig
zensiert hatte, stellte beim mündlichen Examen die an mich gerichteten
Fragen in so geistreicher und dabei so wohlwollender Form, daß es für mich
nur darauf ankam, die mir zugeworfenen Bälle mit einiger Geistesgegenwart
aufzufangen. In meinem Zeugnis über das bestandene Examen wurde mir