Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER STAATSSEKRETÄR VON BÜLOW 275 
meinem Vater ein Jahr später, 1873, den Posten des Staatssekretärs im 
Auswärtigen Amt antrug. Mein Vater war ein Diplomat der besten Schule, 
von großer Würde, dabei von immer gleicher Courtoisie. Wenn er wollte, 
die Klarheit selbst, und wenn er sein Spiel nicht aufzudecken wünschte, 
undurchdringlich. Mehrere Jahre nach dem 1879 erfolgten Tod meines 
Vaters erzählte mir Herbert Bismarck gelegentlich die nachstehende 
Äußerung seines großen Vaters: „Um eine Politik zu führen und zu einem 
guten Ende zu führen, wie ich sie von 1862 bis 1871 gemacht habe, dazu 
gehören, wie ich wohl ohne Überhebung sagen darf, exzeptionelle Gaben 
und Kräfte, die Gott nur wenigen verleiht, dazu gehört auch sehr viel 
Gnade von oben. Um das von mir in neun Jahren Erworbene zu erhalten, 
wie das seit 1871 unsere Hauptaufgabe ist, dazu bedarf es vor allem guter 
Nerven, einer wohlequilibrierten Seele und einer geschickten Hand, Diese 
Eigenschaften besaß der Staatssekretär von Bülow in hervorragendem 
Maße.“ 
Ende August 1872 traf ich in Metz ein, wo mich Franz Arenberg am 
Bahnhof erwartete und nach der Wohnung führte, die er in der Rue des 
Clercs, später in „‚Priesterstraße“ umgetauft, für uns drei gemietet hatte. 
Der Dritte im Bunde war sein ältester Bruder Philipp, der schon vor 
seinem jüngeren Bruder das Referendar-Examen bestanden hatte und am 
Landgericht arbeitete. Er würde gewiß einen vortrefflichen richterlichen 
oder Verwaltungsbeamten abgegeben haben. Aber es war sein innerster 
Wunsch, Geistlicher zu werden. Seine Eltern waren eifrige Katholiken, aber 
sie wollten ihrem Sohn nur dann erlauben, die geistlichen Weihen zu 
nehmen, wenn er nach längerer Prüfung sich seiner Vokation völlig sicher 
fühle. Philipp Arenberg war ein Kind Gottes. Einfältig in den Augen 
frivoler Weltleute, aber sehr weise im Sinne der Bergpredigt (Ev. Math. V, 
8 u.9). Das Ewige stand ihm höher als das Zeitliche. Und die Frage. wie 
man in den Himmel kommt, erschien ihm viel wichtiger als die Frage, wie 
weit er es in dieser Welt bringen würde. Er führte in unserem kleinen Kreise 
den Spitznamen „Piel“. Ich hatte ‚Piel‘ sehr lieb. Er empfing wenige 
Jahre nach unserem Zusammensein in Metz die Priesterweihe und hat dann 
viele Jahre in Eichstätt in Bayern als Domherr und vertrauter Berater des 
von Leo XIII. besonders geschätzten Bischofs Freiherr von Leonrod still, 
bescheiden und segensreich gewirkt, Gott hat seinem treuen Diener auch 
ein seliges Ende beschieden. Er wurde, noch nicht sechzig Jahre alt, auf 
der Durchreise durch Wien, unmittelbar nachdem er im Stephansdom die 
heilige Messe gelesen hatte, vom Schlage gerührt und ist ohne Schmerzen 
noch Todeskampf sanft hinübergegangen. 
Bevor ich in diesen meinen Erinnerungen von meinem guten Piel 
Abschied nehme, möchte ich eines Zwischenfalls Erwähnung tun, der, an 
18* 
Ankunft 
in Metz
	        
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