Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

EINE AUSLÄNDERIN ÜBER DIE DEUTSCHEN 283 
l’Eglise, ni l’Etat avec une pareille petitesse d’esprit. Louis XIV le 
comprit, lorsque lui, le roi trös chrötien permit la representation du 
‚Tartuffe de Moliere.“ 
Die Prinzessin Maria Arenberg freute sich der deutschen Siege, aber sie 
sah trotzdem nicht ohne Sorge in die deutsche Zukunft, was bei den inter- 
essanten Plauderstunden, die ich im Kreise der Familie verlebte, wiederholt 
zum Ausdruck kam. Sie meinte: „Deutschland hat Frankreich besiegt, 
glänzend besiegt. Es ist heute die erste Macht in Europa, in der Welt. Aber 
Ihre ungeheuren Erfolge, deren ich mich schon als Mutter meiner Söhne 
aufrichtig freue, sind doch mehr das Werk weniger, sehr hervorragender 
Männer als die Leistung eines politisch begabten und geschulten Volkes. 
Ich beklage und bedaure den Zwist zwischen Bismarck und der katho- 
lischen Kirche. Aber Bismarck bleibt doch einer der größten Staatsmänner 
aller Zeiten. Moltke, Roon, Manteuffel, Werder, Blumenthal, Goeben kann 
ich ohne jede Einschränkung bewundern. Der alte Kaiser ist einer der 
pflichttreusten, weisesten, besten Fürsten, die je auf einem Throne saßen. 
Sein Sohn ist ein Held und dabei ein durch und durch edler Mensch. Tout 
cela est admirable. Aber wie steht es mit der Masse der Deutschen ? Würden 
die Deutschen imstande sein, wie die Engländer, in freiwilliger Unter- 
ordnung unter das allen gemeinsame staatliche Interesse alle Parteirück- 
sichten zurückzustellen, wären die Deutschen fähig, in der Stunde der Not 
geschlossen dem Fahnenträger zu folgen wie jetzt die Franzosen ihrem 
Gambetta, unter dem die Zouaves pontificaux und die Rothemden des 
Kirchenfeindes Garibaldi Schulter an Schulter fochten ? Ich fürchte: nein! 
Das Einheitsgefühl und die Zurückdrängung aller Parteigesichtspunkte und 
jedes Partikularismus, sobald es um Ehre und Ruhm des Landes geht, 
scheinen mir in Deutschland weniger entwickelt und weniger stark zu sein 
als in Frankreich, das deutsche Nationalgefühl und der deutsche Patrio- 
tismus weniger leidenschaftlich, nicht so alles mit sich fortreißend wie in 
Frankreich. Und die Mehrheit Ihrer Parlamentarier! Comparez Virchow 
et Mommsen comme hommes politiques, comme hommes d’etat avec Mon- 
sieur Thiers! Richter et Lasker et Monsieur Schulze-Delitzsch, Waldeck et 
Jacoby sont certainement des hommes tr&s vertueux et tr&s honnätes. Mais 
vous m’accorderez que, compar&s ä Leon Gambetta, ce sont des cuistres 
(Schulmeister). C’est surtout la d&mocratie allemande, qui, comme &lan 
patriotique, comme esprit politique me semble bien inferieure ä la d&mo- 
cratie francaise.““ 
Als die Prinzessin Arenberg so sprach, dachte ich an das, was mir mein 
Vater nach der Erstürmung von Düppel und dem Übergang nach Alsen 
gesagt hatte. Ich dachte an Goethes Wort von dem Deutschen, der als 
Ganzes oft viel zu wünschen übrig lasse.
	        
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