Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

ALTE HERREN 287 
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ausgesuchten Kreis bejahrter preußischer Diplomaten. Bei den Festen der 
Spartaner sang der Chor der Alten: „Was ihr seid, das waren wir.“ Die 
Jungen antworteten: „Was ihr geworden seid, das wollen wir werden.“ 
Nun, wenn ich den Grafen Heinrich Redern, den Freiherrn Karl 
von Werther, den Grafen Guido von Usedom vor mir sah, so fühlte 
ich im Gegensatz zu den jungen Spartanern kein besonderes Verlangen, 
diesen Alten nachzueifern. 
Der Beste unter ihnen war der Baron Werther. Er war der höflichste, 
korrekteste, friedfertigste aller Menschen, und doch wollte sein Unstern, 
daß Krieg ausbrach, wo immer er als preußischer Gesandter gewirkt hatte. 
Er war Gesandter in Kopenhagen, als die Schleswig-Holsteinische Frage 
zum Kriege zwischen Preußen und Dänemark führte. Nach Wien gesandt, 
erlebte er dort den Ausbruch des Krieges von 1866. Als er von Wien nach 
Paris versetzt wurde, kam der Deutsch-Französische Krieg. Der „Kladde- 
radatsch‘“ nannte Herrn von Werther deshalb den „Sturmvogel‘“. Jeden- 
falls war er ein Sturmvogel, der gar nichts Stürmisches an sich hatte. Er 
war in keiner Weise verbittert, räsonierte im Gegensatz zu Usedom auch 
nicht auf Bismarck, der Herrn von Werther einige Jahre später wieder an- 
stellte und als Botschafter nach Konstantinopel sandte. Kaum war er dort 
angelangt, als der Russisch-Türkische Krieg ausbrach. Er war wirklich ein 
Sturmvogel. 
Dem Grafen Heinrich Redern, dessen ich bereits ausführlicher gedachte, 
durfte ich zuhören, wenn er in der Art des Nestor, der den hell umschienten 
Achaiern von den Heldentaten seiner Jugend erzählt, hier und da Erinne- 
rungen aus seiner diplomatischen Laufbahn zum besten gab. Mit Vorliebe 
zitierte er einen Brief, den er um die Zeit des Krimkrieges aus Turin an 
den damaligen preußischen Minister des Äußern, Herrn von Manteuffel, 
gerichtet hatte. Der gute Heinrich Redern wünschte von seinem jungen 
Zuhörer bestätigt zu hören, mit welchem Adlerblick er vor anderen die 
politische Zukunft des Grafen Cavour vorausgesehen habe. Sein Brief an 
den Minister Manteuffel hatte etwa folgendermaßen gelautet: „Monsieur 
le Baron, j’ai l’honneur d’attirer l’attention Eclairde de votre Excellence sur 
le premier Ministre de Sa Majeste le roi de Sardaigne, le comte Camillo 
Benso di Cavour. Malgr& ses id&es un peu trop liberales, Monsieur de Cavour 
est un homme fort distingu& et qui m£rite la faveur dont il jouit aupres de 
son auguste maitre. Agreez avec l’assurance de ma plus haute consid@ration 
l’expression de mes sentiments respectueusement devou&s.‘ Die politischen 
Berichte der preußischen Diplomaten wurden bis zum Amtsantritt des 
Herrn Otto von Bismarck-Schönhausen in französischer Sprache abgefaßt. 
Usedom war mit einer Engländerin verheiratet, Miß Olympia Malcolm, 
der Tochter des Gouverneurs von Bombay, deren gewaltiger Leibesumfang
	        
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