‚4ttache im
Auswärtigen
Amt
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ihrem Vornamen Ehre machte und deren Originalität bisweilen in Takt-
losigkeit ausartete. Als Usedom preußischer Gesandter in Florenz war,
suchte sie in ein Gemach des Palazzo Pitti einzudringen, dessen Betreten
untersagt war. Den ihr den Eingang verwehrenden italienischen Kammer-
herrn schob sie majestätisch mit den Worten beiseite: „lo sono la Prussia !“
Die Tochter aus dieser Ehe war ungewöhnlich groß. Man nannte sie all-
gemein die Usekathedrale. Sie soll, als ihre Eltern sich zeitweilig in München
niedergelassen hatten, den Wunsch gehegt haben, König Ludwig II. zu
heiraten. Es ist ihr aber nicht gelungen, die Misogynie des Königs zu be-
siegen.
Während ich in Reichenhall weilte, erhielt ich einen Brief meines Vaters,
in dem er mir mitteilte, daß Fürst Bismarck ihm den Posten des Staats-
sekretärs im Auswärtigen Amte angetragen habe. Er habe einige Zeit ge-
schwankt, ob er annehmen solle oder nicht. Einerseits fühle er sich mit
achtundfünfzig Jahren nicht mehr jung genug für einen neuen und so starke
Anforderungen stellenden Posten. Andererseits gewähre es ihm doch große
innere Befriedigung, am Abend seines Lebens, das er in dänischen Diensten
begonnen habe, an der Seite des größten deutschen Staatsmannes dem
durch diesen wiedererrichteten herrlichen Deutschen Reich zu dienen. Den
letzten Ausschlag gebe der Appell, den Bismarck an die alte, in den ver-
schiedensten Zeiten, Lagen und Stellungen bewährte Freundschaft ge-
richtet habe, die beide seit nun einem Vierteljahrhundert verbinde. Er
habe sich infolgedessen entschlossen, die Berufung anzunehmen.
Bald nachdem die Ernennung meines Vaters zum Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes erfolgt war, richtete der Kanzler an ihn die Frage, wie
es seinen Söhnen ginge, an die er sich aus Frankfurt a. M. erinnere. Als mein
Vater erwiderte, daß sein zweiter Sohn als Leutnant und Adjutant bei den
2. Garde-Dragonern stehe, der älteste, nachdem er den Krieg bei den
Königshusaren mitgemacht habe, in Metz am Bezirkspräsidium arbeite,
meinte Bismarck: „Wollten Sie nicht einen Diplomaten aus Ihrem ältesten
Sohn machen?“ Mein Vater wies darauf hin, daß schon drei Bülows dem
auswärtigen Dienst angehörten und vier Bülows ein bißchen zu viel seien.
Bismarck entgegnete launig und gütig, daß er von der Sorte gar nicht genug
bekommen könnte. So wurde ich als Attache& in das Auswärtige Amt ein-
berufen, an dessen Spitze ich vierundzwanzig Jahre später als Staats-
sekretär treten sollte.
Am Tage meines Eintreffens in Berlin begegnete ich Unter den Linden
dem damaligen Ersten Sekretär der Botschaft in London, dem Freiherrn
von Brincken, dessen Bekanntschaft ich ein Jahr früher auf der Borussen-
kneipe in Bonn gemacht hatte. Der treffliche Mann, das Bild eines korrekten
Diplomaten in mittleren Jahren, gab mir im Laufe unserer Unterhaltung