BISMARCKS RÄUME 295
Gesandten in Berlin, den Grafen Christian Günther von Bernstorff, ab-
treten zu können, gereiche ihm zu wahrer Genugtuung und lebhafter Freude,
es sei dies gleich schmeichelhaft für Bernstorff wie für die dänische Krone
und Dänemark. Graf Bernstorff trat darauf in preußische Dienste. Wenige
Tage später teilte er seiner Gattin die in seinem und ihrem Leben ein-
getretene Veränderung mit und fügte hinzu, daß er sich schon völlig in
seinen neuen Wirkungskreis eingelebt babe. „Du glaubst nicht“, schrieb er
ihr, „wie wunderlich ich mir selbst vorkomme, wenn ich schon preußischen
Sekretären über preußische Angelegenheiten diktiere, als sei es immer so
gewesen.“ Seine Frau aber war über diese Wendung der Dinge weniger
erfreut. Es schmerzte sie besonders, sich von dem Bernstorfischen Palais in
Kopenhagen trennen zu müssen, das bekanntlich später die Sommer-
residenz der dänischen Königsfamilie wurde. König Christian IX. hat dort
oft den Besuch seines Schwiegersohns, des Kaisers Alexander III. von Ruß-
land, empfangen, Besuche, die Bismarck mit Argwohn sah, weil er wußte,
daß die Königin Luise von Dänemark, obwohl eine deutsche Prinzessin,
eine Prinzessin von Hessen, antipreußisch gesinnt war und in diesem Sinne
auf ihren Schwiegersohn von Rußland einzuwirken trachtete.
Um den Wohnungssorgen der Gräfin Bernstorff abzuhelfen, gab Fried-
rich Wilhelm Ill., sonst sehr sparsam, Weisung, das damals der Witwe des
russischen Gesandten Alopäus gehörige langgestreckte Gebäude Wilhelm-
straße 76 als Dienstwohnung für den Grafen Christian Bernstorff zu er-
werben. Der König nannte hierbei dieses Haus das schönste Haus Berlins.
Der Kaufpreis betrug achtzigtausend Taler in Gold, eine für damalige
Zeiten nicht unbeträchtliche Summe. Kein Deutscher sollte an diesem Haus
vorübergehen, ohne im Geist in Ehrfurcht den Hut zu ziehen, denn hier hat
Fürst Bismarck in seiner größten Zeit seines Amtes gewaltet. Sein Arbeits-
zimmer lag im Oberstock. Es sind die beiden Fenster, die als drittes und
viertes von rechts gezählt neben dem Mittelrisalit liegen. Im Speisesaal
neben dem Arbeitszimmer war es, wo Bismarck am 13. Juli 1870 jene
Emser Depesche empfing, die er zur Fanfare umstilisierte. Im gelben Zimmer
tagte unter Bismarck der Ministerrat. Im Arbeitszimmer stand der kleine
Mahagonitisch, auf dem er am 26. Februar 1871 den Präliminarfrieden von
Versailles unterschrieben hatte. Die Tapete des Arbeitszimmers zeigte
goldene Kreuzchen auf grauem Grund, der Teppich helle rote, blaue und
grüne Blümchen auf dunkelrotem Grund. Die Wände, mit braunen Streifen
in schmalen Goldleisten, waren hübsch eingeteilt. Ganz einfach war da-
hinter das einfenstrige Schlafzimmer, an das ein Kleiderzimmer stieß.
Weiter folgten nach hinten zu ein zweites Schlafzimmer, ein paar Kabi-
nette und zwei Salons, die zusammen mit dem ovalen Saal Bismarck in
seiner größten Zeit für seine Repräsentationszwecke genügten. Der ovale