Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

EIN GROSSER 297 
An den beiden Sphinxen von Pfeffer ging ich vorüber, wenn ich als 
Attache des Auswärtigen Amts abends den Salon der Fürstin Bismarck 
besuchte. Der Fürst und die Fürstin hatten mir durch meinen Vater sagen 
lassen, sie würden sich freuen, wenn ich abends zu ihnen käme. Die Gäste 
pflegten um zehn Uhr zu kommen, wo sie die Fürstin an einem großen 
runden Tisch erwartete, auf dem alle möglichen kalten Speisen und 
„Delikatessen“ standen: jede Art von Wurst, Sardinen, Anchovis, Matjes- 
heringe und Bücklinge, im Winter auch Kaviar, meist Liebesgabe aus 
Petersburg, Lachs, Italienischer Salat, harte Eier, jede Art von Käse, vom 
Holländer bis zum Harzer Käse, und ungezählte Flaschen Bier, echte, 
schwere bayrische Biere. Doktor Ernst Schweninger hatte dem Fürsten 
noch nicht seine Diät aufgezwungen und ihn noch nicht genötigt, abends 
statt Bier Milch zu trinken, die Bismarck in späteren Jahren zu sich 
nahm, freilich auch in enormen Quantitäten. „Alles an dem Mann ist 
riesig‘, sagte mir einmal ein witziger liberaler Abgeordneter, ‚sogar sein 
Appetit.“ 
Der Fürst erschien selten vor elf Uhr. Als der Philosoph Hegel am Tage 
nach der Schlacht von Jena Napoleon über den Marktplatz der kleinen 
Universitätsstadt reiten sah, äußerte er: „Ich habe die Weltseele auf einem 
Schimmel erblickt.“ Ich habe Bismarck nie in das Zimmer treten sehen, 
ohne die Empfindung, daß ich einen Großen, einen ganz Großen vor mir 
sähe, den größten Menschen, den ich erblickt hätte und je erblicken würde. 
Er wirkte um so imponierender, als er in keiner Weise posierte, einfach und 
natürlich war. Das fiel mir gerade in Berlin auf, wo Geheimräte und Volks- 
vertreter, so viele, die es zu einer gewissen Stellung gebracht haben, gern 
feierliche Würde zur Schau tragen. 
Charakteristisch für den Fürsten war seine ungemeine Höflichkeit 
gegenüber allen seinen Gästen. Auch den jüngsten begrüßte er mit einem 
freundlichen Händedruck, gewöhnlich begleitet von einem liebenswürdigen, 
oft scherzhaften Wort. Damen küßte er fast immer die Hand. In späteren 
Jahren, wo er wegen seiner Ischias viel auf der Chaiselongue liegen sollte, 
entschuldigte er sich bei jeder Dame, daß er sie in dieser Stellung begrüßen 
müsse. Es lag in der Natur der Dinge, daß der Fürst, wenn er gekommen 
war, die Unterhaltung beherrschte. Er sprach über alles, nie dozierend, oft 
humoristisch, stets geistvoll und originell. Er machte immer einen über- 
legenen, nie einen eitlen Eindruck. Er sprach langsam, beinahe stockend, 
mit leiser und feiner Stimme. Wenn er eine Pause im Sprechen machte, 
pflegten auch die Gäste zu schweigen, um sein Nachdenken nicht zu stören. 
Ich erinnere mich eines Abends, wo ein unter den Gästen anwesender Prinz 
Heinrich IX. Reuß nach einer schon einige Minuten dauernden Stille ex 
abrupto und laut an den Fürsten die Frage richtete: „Wie denken Euer 
In Bismarcks 
Salon
	        
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