Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

306 QUERTREIBEREIEN 
Lächeln und seiner etwas affektierten Sprechweise war Schleinitz in der 
Tat so verschieden wie möglich von dem Gutsherrn von Schönhausen. 
Schleinitz war der Vorgänger von Bismarck gewesen. Damals war das 
Verhältnis zwischen dem Minister des Äußern Alexander von Schleinitz 
und dem Gesandten in St. Petersburg Otto von Bismarck noch leidlich. 
Es wurde ganz schlecht, als Schleinitz in der für Bismarck kritischsten Zeit, 
in jenen Frühlingstagen von 1866, wo es für den größten deutschen Staats- 
mann um alles ging, diesem am preußischen Hof giftige Opposition machte 
und sich in jeder Weise bemühte, dessen Politik zu durchkreuzen, Schleinitz 
war der besondere Liebling der Kaiserin Augusta. Sie bezog von ihm die 
Argumente, mit denen sie während jener entscheidenden Krise der preu- 
Bischen Geschichte den König Wilhelm an seinem gewaltigen Minister irre- 
zumachen suchte. Mein Kriegskamerad und Freund Guido Nimptsch, der 
als naher Verwandter der Baronin Schleinitz viel in ihrem Hause verkehrte, 
hat mir erzählt, daß sich im Mai 1866 dort täglich Mitglieder der öster- 
reichischen Botschaft einfanden, um Herrn von Schleinitz über die politi- 
sche Lage im österreichischen Sinne zu informieren und ihrerseits zu hören, 
was er über die Stimmung am preußischen Hofe mitzuteilen hatte. Diese 
Quertreibereien, die er „Landesverrat‘“‘ und ‚„Hochverrat‘‘ nannte, hat 
Bismarck niemals verziehen. Andererseits wollte der alte König, der keinen 
Diener preisgab, den er für treu hielt, seinen Hausminister nicht opfern. 
Er hat ihn sogar später, ein Jahr nach dem Berliner Kongreß, in den Grafen- 
stand erhoben, was Bismarck in gewaltigen und übertriebenen Zorn ver- 
setzte. | 
Marie von Schleinitz ging aus dem Trachenberger Hause hervor, wo die 
verwandtschaftlichen Beziehungen sich so verworren durchkreuzten, daß 
sie, um verständlich zu sein, einer kurzen Klarstellung bedürfen. Der katho- 
lische Fürst Hermann von Hatzfeldt-Trachenberg entführte im Jahre 1830 
die Gattin des Grafen Kurt von Götzen, eine geborene Gräfin Mathilde 
von Reichenbach-Goschütz, die neun Jahre älter war als er. Es gelang ihm, 
in Rom die Annullierung der Ehe Götzen-Reichenbach zu erreichen, die mit 
drei Kindern gesegnet war. Der zweiten Ehe des Vaters Götzen entsprossen 
noch fünf Kinder. Aus der ersten Ehe des Fürsten Hermann Hatzfeldt mit 
der Gräfin Mathilde Reichenbach stammten der in der Schlacht von Amiens 
am 27. November 1870 nicht weit von mir gefallene Erbprinz Stanislaus, 
die Gräfin Franziska Hatzfeldt, die in erster Ehe mit Paul von Nimptsch, 
später mit dem Generalfeldmarschall von Lo& verheiratet war, und die 
schöne Gräfin Elisabeth Hatzfeldt, die spätere Fürstin Carolath. Einige 
Jahre nachdem Fürst Hermann Hatzfeldt die Gräfin Mathilde Reichenbach 
geheiratet hatte, verliebte er sich in die Gattin des preußischen Gesandten 
beim Päpstlichen Stuhl, Frau Marie von Buch, geborene von Nimptsch.
	        
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