PALAIS REDERN 313
füge aber hinzu, daß die Volksvertreter und die Parteien nicht viel
dankbarer sind. |
. Je älter der Oberstkämmerer Redern wurde, um so mehr lebte er in der
Vergangenheit. Schließlich wiederholte er auch unter ganz anderen Zeit-
verhältnissen die Redewendungen, die er sich in seiner besten Zeit, unter
Friedrich Wilhelm IV., angewöhnt hatte. Ich erinnere mich, daß, als in den
siebziger Jahren vor dem inzwischen fast achtzig Jahre alt gewordenen
Grafen Wilhelm Redern von dem schwierigen Charakter der Prinzessin
Charlotte von Preußen, der ältesten Tochter des kronprinzlichen Paares,
gesprochen wurde, er unwirsch erwiderte: „Man soll den Kaiser Nikolaus
fragen, was zu machen ist, der weiß immer am besten, was uns frommt.“
Er hat manchmal zu mir gesagt: „Früher war es leichter als heute. Wir
erkundigten uns einfach in der ganz alten Zeit beim Fürsten Metternich,
später beim Kaiser Nikolaus, was wir tun sollten, und wir bekamen immer
guten Rat. Mit Bismarck ist alles so aufgeregt und stürmisch geworden, die
besten Zeiten sind vorbei.“
Das, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, von Schinkel erbaute
schöne Redernsche Palais stand unter den Linden, wo sich heute das Hotel
Adlon befindet, das größte Berliner Hotel. Wenn ich dort absteige, denke
ich an meinen alten Onkel Wilhelm Redern, seine altväterische, mehrmals
um den Hemdkragen geschlungene schwarze Krawatte, seinen langen
Gehrock, seine steife Haltung. Er trug beim Gehen die Nase sehr hoch, und
die Berliner hatten ihm deshalb den Spitznamen „Der Wolkenschieber“
gegeben. Sein Bruder, der Diplomat Graf Heinrich Redern, wurde wegen
seines großen Mundes, den ein gewaltiges Rätelier zierte, der Semmelaffe
genannt. Man war nicht gerade wohlwollend im alten Berlin. Es ist ver-
wunderlich, daß in unserer größten Zeit markanten Persönlichkeiten oft
Spitznamen angehängt und sie zum Objekt der Satire gemacht wurden.
In der Gegenwart, deren Matadore die Satire mindestens ebensosehr her-
ausfordern, ist es anders geworden.
Ein Haus, in dem ich mich wohl fühlte, war das des Malers Gustav
Richter und seiner Frau Cornelie, einer Tochter des Komponisten
Meyerbeer. Frau Cornelie ist mir bis zu ihrem erst einige Jahre nach dem
Weltkrieg erfolgten Tode eine treue, liebe Freundin geblieben. Schon ihr
sanftes Organ war mir sympathisch. Ihre Milde und Güte schufen um sie
eine Atmosphäre der Harmonie und des Friedens, die mich wie eine Oase
anmutete.
Das eleganteste der Berliner diplomatischen Häuser war die Französische
Botschaft. Thiers, der die Welt kannte und die Bedeutung einer guten
gesellschaftlichen Stellung für einen Diplomaten zu schätzen wußte, hatte
nach der Niederlage Frankreichs, und gerade um die Folgen dieser Niederlage
Das
Diplomatische
Korps