314 DIE BOTSCHAFTER
abzuschwächen und obwohl er die republikanische Staatsform in Frankreich
erhalten und befestigen wollte, die wichtigsten Auslandsposten mit Aristo-
kraten und Vertretern des alten Systems besetzt. Nach London entsandte
er als Botschafter zuerst den Herzog von Larochefoucauld-Bisaccia, dann
den Herzog Decazes, nach Wien den Marquis d’Harcourt, nach Rom zum
Quirinal den Marquis de Noailles, zum Vatikan den Baron de Corcelle, nach
dem militärischen St. Petersburg den General Leflö, nach Kopenhagen den
Vicomte de Feriol, nach Madrid den Vicomte de Bouille, nach Berlin den
einer alten und illustren Familie entsprossenen Vicomte de Gontaut-
Biron. Ich habe schon gesagt, daß es dem letztgenannten französischen
Diplomaten bald gelang, sich die Gunst der Kaiserin Augusta zu erwerben.
Das Mißtrauen, das ihm Bismarck vom ersten Tage an entgegenbrachte, hat
er nie zu überwinden vermocht.
An Intelligenz stand er weit hinter dem englischen Botschafter, Odo
Russell, dem späteren Lord Ampthill, zurück, der eine feine Bildung und
liebenswürdige Formen mit politischem Takt und Blick verband. Odo
Russell hat es verstanden, nicht nur die Sympathie, sondern auch das
Vertrauen des Fürsten Bismarck zu gewinnen. Er und seine schöne Frau
waren in der Berliner Gesellschaft gern gesehen. Am kronprinzlichen Hof
und im Reichskanzlerpalais waren sie gleich beliebt.
Graf Aloys Kärolyi hatte die habsburgische Monarchie schon vor 1866
in Berlin vertreten. Zu ihm hatte 1863 der soeben zum preußischen Minister
der auswärtigen Angelegenheiten ernannte Herr Otto von Bismarck-
Schönhausen gesagt, er rate Österreich, seinen Schwerpunkt nach Ofen zu
verlegen. Nicht lange nach dem für uns siegreichen Ausgang des Deutsch-
Französischen Krieges erschien Kärolyi zum zweiten Male und diesmal als
österreich-ungarischer Botschafter in Berlin, wo in der Zwischenzeit sein
Nachfolger, Graf Felix Wimpffen, keine Seide gesponnen hatte. Bismarck,
der auch in den kritischen Jahren vor dem Preußisch-Österreichischen
Kriege persönlich und gesellschaftlich in freundlichen Beziehungen zu
Kärolyi geblieben war, hatte sich mit dessen Rückkehr nach Berlin ganz
einverstanden erklärt, drückte ihm aber doch sein Erstaunen darüber aus,
daß er, ein steinreicher Magnat, von dem man sage, daß er auf seinen
Herrschaften so viele Schäfer unterhalte wie andere Leute auf ihren Gütern
Schafe, wieder das Joch des Dienstes auf sich nehmen wolle. „Ja, schauen S’,‘
entgegnete ihm Graf Aloys Kärolyi, „vormittags reite ich, nachmittags
mache ich Besuche und spiele im Klub meine Partie Whist, abends gehe ich
in Gesellschaft oder empfange selbst. Nur zwischen zwölf und ein Uhr vor-
mittags wußte ich seit meinem Rücktritt nicht, was ich unternehmen sollte.
Diese Stunde werde ich jetzt in der Kanzlei mit Unterschreiben
totschlagen.““