Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

RUSSISCHES 315 
Der italienische Gesandte, Graf Launay, war eiu hervorragender 
politischer Kopf. Savoyarde von Geburt, war er der italienischen Sprache 
kaum mächtig und hatte die Erlaubnis, seine Berichte in französischer 
Sprache zu schreiben. Der Gesinnung nach war Launay nicht nur Italia- 
nissimo, sondern leidenschaftlich antifranzösisch. Er war der einzige der 
fremden Vertreter in Berlin, zu dem Holstein in intimen, nie getrübten 
persönlichen und politischen Beziehungen stand. 
Von allen fremden Diplomaten war der belgische Gesandte, Baron 
Nothomb, wohl derjenige, der die beste persönliche und politische 
Stellung hatte. Zu keinem anderen Lande waren unsere Beziehungen so 
freundlich und sicher wie zu Belgien. Die einzige Tochter des Baron 
Nothomb war mit dem Öberst von Zedlitz vermählt, der bei der ruhm- 
reichen Attacke von Mars-la-Tour die 2. Garde-Dragoner geführt hatte. 
Der russische Botschafter, Herr von Oubril, erzählte selbst, daß er 
einer distinguierten Emigrantenfamilie entsprossen sei. Der ihm nicht wohl- 
gesinnte Fürst Bismarck behauptete dagegen, Oubril sei in Wirklichkeit der 
Enkel eines französischen Kochs, dessen „petits pätes‘ die große Kaiserin 
Katharina appreziiert habe. Der russische Botschaftsrat Arapoff und der 
Militärattache Kutusoff waren trinkfeste Männer. Arapoff hatte einmal bei 
einem Hoffest in heiterer Weinlaune sich selbst ein Glas Champagner über 
den Kopf gegossen und dazu gelallt: „Will ich mir noch einmal taufen, aber 
diesmal mit Sekt.“ Auch Kutusoff kam selten von einem Diner oder Souper 
nüchtern nach Hause. Als er in einer größeren Gesellschaft erzählte, seine 
Familie stamme aus Pommern und habe ursprünglich Kutus geheißen, 
meinte der schlagfertige, witzige Minister des Innern, Graf Friedrich 
Eulenburg: „Den Soff haben Sie sich in Rußland zugelegt.“ Sehr übel trieb 
es der langjährige Zweite Sekretär der Russischen Botschaft, Baron Mita 
Benkendorf. Er und seine Gattin lebten in Berlin auf großem Fuß, bis sie 
bei Nacht und Nebel unter Hinterlassung beträchtlicher Schulden ver- 
schwanden. Die Frau kam so herunter, daß sie schließlich in einem Pariser 
Freudenhaus endigte. Sie war nicht besonders hübsch, und als sie während 
mehrerer Tage keinem Besucher gefallen hatte, erschoß sie sich und hinter- 
ließ einen Brief, in dem sie erklärte, daß verschmähte Liebe sie in den Tod 
trieb. Ein französischer Literat ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sie 
zur Heldin eines damals vielgelesenen Romans zu machen, dem er den Titel 
gab „‚Le pistolet de la petite Baronne“. Es war bezeichnend für die Frivolität 
russischer Großfürsten, daß Großfürst Wladimir den Gatten der armen 
Frau, der durch seinen Leichtsinn und Schlimmeres die Hauptschuld an 
ihrem Untergang trug, in seine Umgebung zog, mit Vorliebe zum Begleiter 
bei seiner jährlichen Herbstreise nach Paris wählte und ihn in Chantilly dem 
Herzog von Aumale mit den Worten vorstellte: „Voici mon ami, le Baron
	        
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