Dienst ım
„Susland
Süd-
frankreich
XXI. KAPITEL
Attache in Rom + Reise durch Südfrankreich und Italien - Eintreffen in Rom (15. \.
1875) « Gesandter von Keudell » Reise nach Sizilien « Gregorovius « Mommsen + Römi-
sche Gesellschaft - Pius IX. und das Königreich Italien « Kirche und Staat in Italien
m Herbst 1874 sagte mir mein Vater, er halte es, nachdem ich nunmehr
meine erste Ausbildung im Auswärtigen Amt erhalten hätte, für angezeigt,
mich ins Ausland zu schicken. „Wo möchtest du denn hin ?“ Ich antwortete
ohne Besinnen: „Nach Italien!“ Mein Vater schlug mir gütig vor, mir bei
diesem Anlaß auch Südfrankreich anzusehen. So machte ich mich auf
den Weg.
Nachdem ich einige Tage an dem mir immer lieb gebliebenen Genfer See
verweilt hatte, besuchte ich Lyon, Avignon, Nimes, Tarascon, Arles,
Marseille, Toulon, Nizza. Bevor ich meine Italienfahrt antrat, hatte ich
einige gute Bücher gelesen: Taine, „Voyage en Italie‘“, Stendhal, „Rome,
Naples et Florence‘, und von demselben Stendhal die „Promenades dans
Rome“. Ich las die drei Bände, die Adolf Stahr, der Gatte von Fanny
Lewald, 1847 unter dem Titel „Ein Jahr in Italien‘‘ veröffentlicht hat, ein
Buch, das mir auch heute nicht antiquiert erscheint und das ich jedem
Deutschen empfehlen möchte, der über die Alpen geht. Ich las die
„Philosophie de l’art en Italie“‘ von Hippolyte Taine, ich las andächtig
die „„Chartreuse de Parme‘ von Stendhal, das psychologisch feinste Werk,
das über Land und Leute in Italien geschrieben worden ist. Als ich vor
meiner Abreise von meinem Vater Abschied nahm, legte er mir als letzten
Rat das Wort Goethes ans Herz: „Lust, Freude an den Dingen ist das einzig
Reale und was wieder Realität hervorbringt, alles andere ist eitel und
vereitelt nur.“
In Südfrankreich frappierte mich zweierlei: Die außerordentliche Gleich-
förmigkeit Frankreichs. Die Menschen in der Provence waren in ihren
Gewohnheiten und Sitten, in ihrem Auftreten dieselben wie in der mir schon
bekannten Normandie und Picardie. Überall tranken die pensionierten
Offiziere nachmittags ihren Absinth, spielten die Bürger an den Tischen
vor den Cafes Domino, besuchten die Frauen morgens die Messe, wartete
alles auf die Zeitungen aus Paris. Ich begriff, daß ein französischer Minister