Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

KEUDELL SEUFZT 339 
Potsdam ist‘, meinte seufzend der General Mischke, neben dem ich placiert 
war. „Sie hat große Eigenschaften, reiche Gaben, Charakter, Verstand und 
auch Herz. Aber sie kann sich nun einmal nicht an unsere preußische Art 
gewöhnen.“ 
Am Ahend war Galavorstellung im Teatro della Pergola. Ich saß in einer 
kleinen Loge, neben einer größeren, in der Donna Laura Minghetti und ihre 
reizende Tochter saßen, wurde aber wiederum von ihnen keines Blickes 
gewürdigt. Meine liebe und von mir sehr geliebte Schwiegermutter amüsierte 
es in späteren Jahren köstlich, wenn ich ihr sagte, ich würde ihr diese kühle 
Haltung gegenüber einem so charmanten jungen Mann, wie ich es gewesen 
sei, niemals verzeihen. 
Am nächsten Tage trat Keudell früh in mein Zimmer. Im Gegensatz zu 
seiner sonstigen kühlen Art war er sichtlich erregt. Er sagte mir, er müsse 
sich mit mir aussprechen, denn er habe soeben eine Nachricht erhalten, die 
ihn tief erschüttert habe. Er fühle das Bedürfnis, mir sein Herz auszu- 
schütten. Wenn ich auch noch jung sei, so seiich doch über meine Jahre 
gereift. Auch wisse er sich meiner Diskretion sicher. „Ich habe die mir 
gmädig gesinnte Donna Laura Minghetti, die Gemahlin des Minister- 
präsidenten, gebeten, die Umgebung der kronprinzlichen Herrschaften zu 
sondieren, wie ich bei Ihren Kaiserlichen Hoheiten angeschrieben wäre. Das 
Ergebnis ist für mich wahrhaft betrübend. Donna Laura hat mit dem 
Kammerherrn der Frau Kronprinzessin, dem Grafen Götz von Seckendorff, 
gesprochen, der sich des vollen Vertrauens Ihrer Kaiserlichen und König- 
lichen Hoheiten erfreut und andererseits Donna Laura sehr devouiert ist. 
Er hat Madame Minghetti ganz offen und ganz bestimmt gesagt, daß die 
Frau Kronprinzessin mich nicht ausstehen könne. Sie hielte mich für einen 
blinden Anhänger von Bismarck, für einen von jenen bösen Leuten, die, 
um nicht Bismarcks Gunst zu verlieren, zu jeder Schandtat bereit wären.“ 
Keudell seufzte tief. Dann fuhr er fort: „Und während die Frau Kron- 
prinzeß mich für einen blinden Bismarckianer hält, fühle ich, daß ich beim 
Fürsten nicht mehr so gut angeschrieben bin wie früher. Ich sehe trübe in 
meine Zukunft. Ich fühle mich in Rom so glücklich. Ich hänge so sehr an 
meinem römischen Posten.‘ So gut ich es vermochte, suchte ich meinen 
Chef zu trösten. Ich erlaubte mir, ihn an das weise Wort des General- 
feldmarschalls Derfflinger zu erinnern, der gesagt habe, daß man sich über 
schlechtes Wetter, Frauenlaunen und fürstliche Ungnade nie aufregen 
müsse. Meine wohlgemeinten Tröstungen schienen auf meinen Chef keinen 
großen Eindruck zu machen. Dagegen gereichte es ihm augenscheinlich zur 
Genugtuung, daß es nach dem, was Graf Seckendorff der Gemahlin des 
italienischen Ministerpräsidenten weiter anvertraut hatte, meinem Vater 
und also auch mir bei einem Thronwechsel in Deutschland nicht besser 
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