Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

UNVERGESSLICHE WOCHEN 353 
und des Rettenkogels. In St. Wolfgang stiegen wir im „Weißen Roß“ ab, 
nahe dem Landungsplatz der Dampfboote. Als ich viele Jahre später im 
Berliner Metropoltheater sehr gut gegeben das „Weiße Rössel‘“ sah, dachte 
ich an das idyllische St. Wolfgang zurück. Das erschien uns mit seinen 
engen Gäßchen, den wirr durcheinander gebauten Häusern mit ihren Erkern 
und Wasserspeiern wie ein wiedererstandenes Stück Mittelalter. Oft be- 
suchten wir nachmittags die Pfarrkirche, einen schönen gotischen Bau mit 
einem prachtvollen Hochaltar, der bis zum Gewölbe der Kirche empor- 
strebt. Auf diesem Altar waren in erhaben geschnitzten Holzfiguren die 
heiligen drei Könige zu bewundern, darüber lebensgroß der Gekreuzigte 
zwischen seiner heiligen Mutter und Johannes, daneben der Erzengel 
Michael und ein Heiliger, über dessen Namen man sich stritt, ganz oben 
Gottvater zwischen reizenden Engeln. Vor dem himmlischen Vater kniet 
Maria und wird von ihm gesegnet. Wir bewunderten auch an den Enden des 
Altars vier würdige Bischöfe, den heiligen Wolfgang von Regensburg, 
Pilgrim von Passau, Adalbert von Prag und einen vierten Bischof, dessen 
Name auch umstritten war, den wir aber schließlich als den heiligen 
Ruppert von Salzburg feststellten. Benedikt, der Abt von Mondsee, hatte 
diesen herrlichen Altar erbauen lassen. Vollendet hatte ihn Meister Michael 
Pucher von Bruneck im Jahre des Heils 1481. St. Wolfgang verdankte 
seine Entstehung den guten Benediktinern von Mondsee, denen Kaiser 
Ludwig der Fromme die ganze Gegend zur Besiedelung übergeben hatte. 
Hierher hatte sich der von seinen bösen Diözesanen vertriebene Bischof 
Wolfgang von Regensburg geflüchtet. Hier hatte er, während der phan- 
tastische Otto III. das deutsche Reich regierte, am Falkenstein in einer 
Einsiedlerhütte ein frommes Leben geführt, bis er entdeckt und von den 
Regensburgern reumütig in seine Diözese zurückgeführt wurde, nachdem 
er den Markt Wolfgang gegründet und dort viele Wunder gewirkt hatte. 
Aus Ehrerbietung vor dem Heiligen hatten die Bayern, als sie in der zweiten 
Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts im Salzkammergut übel hausten, den 
Markt Wolfgang mit Kriegskosten und Einquartierung verschont. Aus 
begreiflicher Dankbarkeit ließen die Bewohner durch den Passauer Meister 
Lienhart Raunacher zu Ehren des heiligen Wolfgang, ihres Schutzpatrons, 
neben ihrer Kirche einen aus Glockenerz gegossenen, schönen Brunnen 
errichten. 
Für das idyllische Leben, das wir wochenlang führten, ließ sich kein 
schönerer Rahmen als St. Wolfgang denken. Die biederen Bürger von 
St. Wolfgang kümmerten sich so wenig um uns wie wir uns um sie. Niemand 
belästigte, niemand störte uns. Wir gingen Arm in Arm am Seeufer 
spazieren. Wir fuhren im schmalen Nachen auf dem See, zwischen dessen 
blaugrünen Wellen und den Nixenaugen der Fürstin Y. ich Vergleiche 
23 Bülow IV
	        
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