Wendt
Eulenburg f
360 VERLOBUNG UND TRAUER IM HAUSE BISMARCK
Hindernis bestandene mündliche Prüfung wäre bei deiner Schlagfertigkeit
und der dir von Gott gnädig verliehenen Begabung kaum rühmlich. A
vaincre sans p£ril, on triomphe sans gloire.‘
Das mündliche Examen verlief, wie es mein guter Vater gefordert und
erwartet hatte. In dem darüber ausgestellten Zeugnis der Professoren
Rudolf Gneist und Adolf Wagner und des französischen Examinators
Professor Auber, eines geborenen Franzosen, hieß es: ,„‚Beiseiner mündlichen
Prüfung hat der Referendarius von Bülow die ihm vorgelegten Fragen aus
dem Staats- und Völkerrecht mit einer gründliches Studium bezeugenden
Sachkenntnis und Sicherheit prompt beantwortet. In den zur Frage ge-
brachten staatswissenschaftlich-statistischen Gegenständen zeigte der Kan-
didat sich durchweg gut unterrichtet, offenbarte auch ein richtiges Ver-
ständnis der theoretischen und volkswirtschaftlichen Seite der berührten
Fragen und antwortete rasch und präzis. Bei Beantwortung der verschıe-
denen ihm vorgelegten historisch-politischen Fragen bewies derselbe aus-
gedehnte und genaue Kenntnisse und drückte sich geläufig und korrekt
französisch aus. Nach dem Gesamtresultat der schriftlichen und mündlichen
Prüfung erachtet die unterzeichnete Kommission dafür, daß der Referen-
darius Bernhard von Bülow das diplomatische Examen mit Auszeichnung
bestanden hat und für den diplomatischen Dienst ebenso gründlich wie
vielseitig vorbereitet erscheint.‘‘ Der erste, der mir gratulierte, und auf das
herzlichste gratulierte, war Herbert Bismarck. Er hatte, da er wußte, daß
ich infolge meiner Migräne nicht ganz auf dem Damm war, das Resultat der
Prüfung in einem Nebenzimmer abgewartet. Man konnte keinen sym-
pathischeren, keinen herrlicheren Jüngling sehen, als es Herbert Bismarck
damals war.
Im Sommer 1875 hatte sich die einzige Tochter des Fürsten Bismarck,
die Gräfin Marie, mit dem Grafen Wendt Eulenburg verlobt. Er war
der jüngste und vielleicht begabteste von vier hervorragenden Brüdern, von
denen Botho preußischer Minister des Innern und Ministerpräsident, August
Oberhofmarschall und Hausminister, Karl General der Kavallerie werden
sollte. Im Spätherbst 1875 erlag Wendt Eulenburg in Varzin, wo er zum
Besuch weilte, einem tückischen Nervenfieber. Ich habe seinen Tod immer
als ein politisches Unglück betrachtet. Er würde, wenn er am Leben ge-
blieben wäre, zwischen seinem großen Schwiegervater und dem jugend-
lichen Wilhelm II. geschickter vermittelt haben als der allzu stürmische und
nicht immer taktvolle Sohn Herbert. Ich werde nie den Ausdruck in den
Zügen des Fürsten Bismarck vergessen, als er bei der Leichenfeier vor dem
Sarge stehend die Kriegsorden des jung verstorbenen Bräutigams seiner
Tochter, die Feldzugsmedaillen von 1866 und 1870, durch die Finger gleiten
ließ und sie sinnend betrachtete. Wie ernste, wie tiefe Gedanken mögen in