Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

NACH WIEN 387 
Böses tun, sonst kommt man in dieser allzu bösen Welt wirklich nicht 
durch. A corsaire corsaire et demi. Holstein ist ein Korsar und für alles 
Böse wie gemacht. Übrigens ist Holstein neben seiner Qualifikation für 
schmutzige Aufträge (ipsissima verba Seiner Durchlaucht) tatsächlich ein 
hervorragender politischer Kopf, ein sehr starker politischer Intellekt.‘ Daß 
er dir, mein guter Sohn, Paris verpatzte, das ich dir zugedacht hatte, ist 
wohl auf seine Besorgnis zurückzuführen, daß du, der Sohn des Staats- 
sekretärs, dort über seine unterirdischen Machinationen gegen Harry Arnim 
mehr hören könntest, als ihm lieb ist. Du wirst aber auch in Wien lernen 
und deinen Horizont erweitern können.“ 
Mein Vater erzählte mir bei dieser Gelegenheit, daß Bismarck ihm vor 
einiger Zeit für den Fall, daß er der „Schinderei‘“ im Auswärtigen Amt 
überdrüssig werden sollte, angeboten habe, ihn Seiner Majestät für die 
Wiener Botschaft in Vorschlag zu bringen. Mein Vater bemerkte hierzu, er 
habe dies Angebot mit Dank abgelehnt. Abgesehen davon, daß meine 
Mutter seit dem Tode ihrer einzigen Tochter und bei ihrer Kränklichkeit 
nicht mehr in die Welt gehen möge, wolle er, so lange seine Kräfte reichten, 
im Auswärtigen Amt Bismarck unterstützen. Wenn er sich dieser Arbeit 
nicht mehr gewachsen fühlen sollte, werde er sich ein holsteinisches oder 
mecklenburgisches Gut kaufen und dort seine Erinnerungen schreiben. So 
plauderte mit mir mein guter Vater, den Gott von dieser Erde abberufen 
sollte, bevor er an die Niederschrift seiner Denkwürdigkeiten gehen konnte. 
Er empfahl mir noch, mich bald bei meinem neuen Chef, dem Grafen Otto 
Stolberg, zu melden, der sich in den nächsten Tagen auf seinen Wiener 
Posten begeben würde. Es war meinem Vater nicht entgangen, daß die 
Fürstin Y. von ihrem Landschloß in Berlin eingetroffen war, als ich von 
Petersburg dorthin zurückkehrte. Er ließ aber mit der Güte und dem Takt, 
die ihm zur zweiten Natur geworden waren, nur durchblicken, daß es meine 
Pflicht sei, alles zu vermeiden, was eine von mir offenbar sehr verehrte 
Dame ins Gerede bringen könnte. 
Mein Wiedersehen mit meiner schönen Freundin löste bei ihr eher innige 
und zärtliche, bei mir mehr stürmische und leidenschaftliche Gefühle aus. 
Sie hatte, wie ich mir nicht verhehlen konnte, unter der fast halbjährigen 
Trennung sehr gelitten. Ich wollte die kleinen Seitensprünge wieder gut- 
machen, zu denen mich an der Newa jugendliche Unreife und die mir neue 
Anziehungskraft slawischer Frauen verleitet hatten. Unser Zusammensein 
dauerte diesmal nicht lange, denn mein neuer Chef, Graf Stolberg, ließ mich 
wissen, daß er sich am nächsten Morgen auf seinen Posten begeben würde 
und mir vorschlage, mit ihm zusammen zu reisen. Graf, später Fürst Otto 
zu Stolberg -Wernigerode war der Chef eines mediatisierten, ehemals reichs- 
unmittelbaren Hauses, das seit uralter Zeit am Harz begütert war. Die 
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Graf Otto 
Stolberg
	        
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