Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

ALTÖSTERREICH 389 
Sohn des großen Staatskanzlers und des schönen rotblonden Fräulein 
Antoinette von Leykam. Er selbst hatte als österreichischer Botschafter 
in Paris während zwölf Jahren, von 1859 bis 1871, mit Erbitterung die 
preußisch Bismarcksche Politik bekämpft. Eine Dame, der Fürst Metter- 
nich gerade im Sommer 1866 nahegestanden hatte, erzählte mir später von 
ihm den nachstehenden kleinen Zug, der besser als die längsten Traktate 
die liebenswürdige Frivolität des Altösterreichertums charakterisiert. Am 
Vormittag des 4. Juli 1866 weilte Richard Metternich bei der in Rede 
stehenden Dame, als ihn die Nachricht von einer vernichtenden Niederlage 
des österreichischen Heeres erreichte, das sich, auf der ganzen Linie ge- 
schlagen, in vollem Rückzug befinde. Er erbleichte, faßte sich aber rasch, 
hob die Rockschöße, setzte sich auf das offenstehende Klavier und fuhr ein 
paarmal über die Tasten. „Schrumm, schrumm! Glücklich ist, wer vergißt, 
was doch nit zu ändern ist!“ Der Vater Klemens war, bevor er Minister des 
Äußern wurde, von 1806 bis 1809, österreichischer Gesandter in Paris. Als 
solcher huldigte er der Königin Karoline von Neapel, der Schwester des 
großen Korsen. Der Sohn Richard huldigte der Kaiserin Eug£nie. Als 
Thiers im Februar 1871 Präsident der jungen französischen Republik 
wurde, verlangte er die Abberufung von Richard Metternich, der zu intim 
mit dem bonapartischen Regime und der bonapartischen Partei liert sei. 
Als Metternich sich von Thiers verabschiedete, blieb er mit seinen langen 
Rockschößen in der Tür hängen. „Voyez, comme vous &tes attache a la 
France“, meinte lächelnd Thiers, indem er die Rockschöße aus der Tür- 
angel befreite. „Il vous fallait pour me detacher“, antwortete Metternich. 
Der das habsburgische Reich regierende Hochadel ist während des halben 
Jahrhunderts, das Königgrätz vom Weltkrieg trennt, nicht viel ernster 
geworden. Der k. und k. Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses 
und des Äußern, Graf Leopold Berchtold, der Österreich-Ungarn im Hoch- 
sommer 1914 in den Weltkrieg gleiten ließ, verbrachte den ersten Winter 
nach dem Zusammenbruch der Monarchie in einem eleganten Hotel 
der Schweiz, wo er unter den neugierigen Blicken der fremden Gäste 
und zum Erstaunen der biederen Schweizer mit Eifer Onestep und 
Boston tanzte. 
Höfliche Würde, mit einer gewissen Zurückhaltung verbunden, zeigte 
auf jenem Empfang des neuen deutschen Botschafters der mächtigste Mann 
am Wiener Hof, der Erste Oberhofmeister Fürst Konstantin von 
Hohenlohe-Schillingsfürst. Er war der jüngste von vier Brüdern, die 
ich alle wohl gekannt habe. Der älteste, der Herzog Viktor von Ratibor, 
war preußischer Standesherr und Präsident des Preußischen Herrenhauses, 
der zweite, der Fürst Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst, nach- 
einander bayrischer Ministerpräsident, deutscher Botschafter in Paris, 
Konstantin 
Hohenlohe
	        
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