Baron
Hübner
390 EINE HISTORISCHE NEUJAHRSANSPRACHE
Statthalter von Elsaß-Lothringen und deutscher Reichskanzler. Der dritte
war der Kardinal Prinz Gustav.
Auch der Freiherr Alexander von Hübner kam, einer der letzten
Vertreter altösterreichischer Grundsätze und Ideen. Als Alexander Hafen-
brädl 1811 in einem bescheidenen Bürgerhause im Herzen Wiens geboren,
wurde er, nachdem er sich mit kaum zweiundzwanzig Jahren mit der
Tochter des einflußreichen Hofrats von Pilat verheiratet hatte, in die
Staatskanzlei berufen, 1844 als Generalkonsul nach Leipzig geschickt, wo
er die sächsischen Demokraten zu überwachen hatte, und 1848 dem Erz-
herzog Rainer in Mailand attachiert, wo er von den Aufständischen während
der Cinque Giornate, der ersten großen italienischen Erhebung gegen
Österreich, um ein Haar ermordet worden wäre. 1848 spielte er bei der
Abdankung des Kaisers Ferdinand und der Erhebung des Erzherzogs Franz
Josef auf den Kaiserthron eine diskrete, aber nicht unwichtige Rolle.
Einige Jahre später wurde er unter dem wohlklingenden Namen Hübner in
den Freiherrnstand erhoben und erst zum Gesandten, später zum Bot-
schafter in Paris ernannt. An ihn richtete am 1. Januar 1859 beim Empfang
des Diplomatischen Korps Napoleon III. die berühmte Ansprache, die dem
Französisch-Österreichischen Kriege vorausging wie der erste Donner-
schlag einem plötzlichen und schweren Gewitter. Mit dem vier Jahre früher
erfolgten Tode des Kaisers Nikolaus ist diese Neujahrsansprache von 1859
das sensationellste politische Ereignis, dessen ich mich aus meiner Kindheit
erinnere. An allen Börsenplätzen brach eine Panik aus, bei der namentlich
in dem austrophilen Süddeutschland viele Rentner ihr Geld verloren. Es
ging ein Ahnen durch die Welt, daß Österreich, das sich im Krimkriege
durch seine Undankbarkeit die Freundschaft von Rußland verscherzt hatte,
es durch seine ungeschickte italienische Politik jetzt auch mit den Franzosen
verderbe. Nach dem Italienischen Kriege war Hübner zwei Monate lang ein
nicht sehr glücklicher Polizeiminister in Wien, von 1865 bis 1867 Bot-
schafter beim Päpstlichen Stuhl, wo er durch seinen outrierten Klerikalis-
mus die frfömmsten Mitglieder des Sacro Collegio der Kardinäle in Staunen
versetzte. Wenn Hübner in der Politik wenig Glück hatte, so sind seine in
französischer Sprache geschriebenen Bücher über Sixtus V. (Sixte-Quint,
d’apres des correspondances diplomatiques inedites) und die Beschreibung
einer von ihm mit zweiundsechzig Jahren unternommenen Weltreise
(Promenade autour du monde) inhaltlich schätzenswerte Arbeiten in ge-
fälliger Form. Alexander Hübner, der erst 1892 mit einundachtzig Jahren
in seiner Vaterstadt Wien starb, hat vor seinem Tode noch zwei für ihn
erfreuliche Eindrücke gehabt: 1888 seine Erhebung in den Grafenstand und
zwei Jahre später die Entlassung des Fürsten Bismarck durch Wilhelm II.
Namentlich über die Entlassung von Bismarck wird er sich mit allen