Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Zirkular des 
Staatssekretärs 
vo. Bülow 
XXX. KAPITEL 
Die Orientkrisis 1876—1877 +» König Georg von Griechenland » Das Diplomatische 
Korps in Athen » Besuch der Prinzessin von Wales in Athen » Das englische Geschwader 
Tod des österreichischen Gesandten Freiherrn von Münch »- Einmarsch der Russen in 
Rumänien » Reise nach Olympia +» Ausgrabungen » Professor Ernst Curtius « Beim 
griechischen Königspaar in Tatoi 
Se dem Sommer hatte sich die Lage auf der Balkanhalbinsel erheblich 
verschärft. Unruhe und Spannung nahmen in ganz Europa zu. Am 
6. Oktober hatte mein Vater ein längeres Rundschreiben an die preußi- 
schen Vertreter bei den deutschen Regierungen gerichtet. Gegenüber allen 
Versuchen ausländischer Quertreiber und inländischer Gefühlspolitiker, 
Deutschland aus seiner ruhigen und kühlen Reserve hervorzulocken, wurden 
in diesem Zirkular die Richtlinien der deutschen Politik dahin präzisiert: 
Nach dem Eintreten Serbiens und Montenegros in offene Feindseligkeit 
gegenüber der Pforte hätten sich alle Mächte dahin geeinigt, „‚zunächst‘‘ an 
dem Prinzip der Nichtintervention festzuhalten und dem Laufe der 
Ereignisse nicht vorzugreifen. Ihrer bisherigen Haltung in der ÖOrien- 
talischen Frage entsprechend, habe sich die deutsche Regierung dieser 
Tendenz nur anschließen können. Als der Moment für die Beendigung eines 
der Ruhe Europas vielleicht bedrohlichen Krieges sei einigen Mächten der 
Zeitpunkt erschienen, wo von türkischer Seite gegen die christlichen Be- 
wohner des Balkans ‚unerhörte Greueltaten‘‘ verübt worden seien. Zumal 
sich gleichzeitig mehr und mehr herausgestellt habe, daß, wenn auch die 
türkischen Waffen im ganzen größere Erfolge aufzuweisen hätten, doch 
keine der streitenden Parteien kräftig genug sei, um den Gegner voll- 
ständig zu besiegen. Geleitet von der Überzeugung, daß unter solchen 
Umständen dem Blutvergießen ein Ende gemacht werden müsse, wonach 
die lebhaft erregte öffentliche Meinung in allen Ländern Europas laut ver- 
lange, hätten sämtliche Kabinette die ihnen von Serbien und Montenegro 
angetragene Mediation angenommen. Sie habe mit dem Versuch be- 
gonnen, in Konstantinopel auf die Einstellung der Feindseligkeiten hinzu- 
wirken. Obwohl es nicht gelungen sei, einen definitiven Waffenstillstand 
durchzusetzen, hätten die Bemühungen der Mächte doch das Resultat
	        
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