BELAGERUNG VON PLEWNA 423
den alten Kriegsruhm des Halbmonds erneuerte. Im September miß-
glückten nach schweren Opfern die unter dem Oberbefehl des Fürsten Carol
von Rumänien von den Russen und Rumänen unternommenen Angriffe
auf Plewna. Hatten die Russen Mißerfolge, so baten die Griechen uns Ver-
treter der neutralen Mächte um Schutz für das von der türkischen
Barbarei bedrohte Hellenentum im Osmanischen Reich. Im Grunde ihrer
Seele und heimlich freuten sie sich über die russischen Niederlagen. Die
Griechen ließen uns keinen Zweifel darüber, daß der Fortbestand des
Türkischen Reichs und der Status quo ante bellum ihnen erwünschter sein
würde als ein zu starkes Prävalieren der Russen im Orient.
Schon während des Sommers hatten der englische und der russische
Botschafter bei der Hohen Pforte, Elliot und Ignatjew, auf der Reise
von und nach Konstantinopel Athen passiert. Man konnte sich kaum einen
größeren Gegensatz denken als zwischen diesen beiden Diplomaten. Elliot
war in seiner Ruhe ein guter Vertreter jenes insularen Selbstgefühls, das
vielleicht deshalb weniger verletzt als die aufgeblasene Eitelkeit vieler Fran-
zosen und selbst als die bisweilen ein wenig pedantische Rechthaberei man-
cher Deutschen, weil die steife englische Hoffart urwüchsig und naiv ist
und, wie die Farbe der Haare und die Länge der Füße, als etwas Gegebenes
hingenommen wird. Ignatjew war weit aktiver. Er war sogar sehr geschäftig.
Er lief von Pontius zu Pilatus. Er versicherte der Reihe nach dem fran-
zösischen, englischen, italienischen, österreichischen und mir, dem deutschen
Vertreter, daß ihm in erster Linie die französischen, englischen, italieni-
schen, österreichischen, deutschen Interessen am Herzen gelegen hätten
und lägen. Er schwor den griechischen Ministern, er wünsche nichts sehn-
licher als die Verwirklichung ihrer „großen Idee“, der wey&An ided der
Wiedererrichtung des Byzantinischen Reichs, und hierfür und nur hierfür
habe er gearbeitet. Er versicherte den Türken, er habe es gut mit der
Pforte gemeint und tue, was er könne, um sie aus der schlimmen Lage zu
befreien, in die sie sich selbst durch Ungehorsam gegenüber Rußland ge-
bracht habe. Er trug die Farben so stark auf, daß ihm weder Christ noch
Muselmann glaubte.
Im Sommer 1877 suchte ich Olympia auf, wo seit zwei Jahren unter
deutscher Leitung und auf deutsche Kosten Ausgrabungen stattfanden.
Ich trat die Reise in Begleitung zweier Gelehrter an. Prophete rechts, Pro-
phete links, das Weltkind in der Mitte. Der jüngere dieser Gelehrten war
der Graf Hermann von Solms-Laubach, außerordentlicher Professor der
Botanik an der Universität Straßburg. Er interessierte sich nur für sein
Spezialfach, die Wissenschaft von den Pflanzen. Der ältere, Professor
Ernst Curtius, stand damals im vierundsechzigsten Lebensjahr. Er hatte
den nachmaligen Kaiser Friedrich erzogen. Er hatte eine in sieben Auflagen
Elliot und
Ignatjew
Olympia
Ernst Curtius