Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BLOWITZ WILL BÜLOW LANCIEREN 445 
Er stammte wie Kautsky, dem nach dem Novemberumsturz die 
Revolutionsregierung die deutschen Archive mit allen Geheimberichten 
auslieferte, aus Böhmen und hieß eigentlich Oppert, hatte aber diesen 
Namen, der ihm nicht gefiel, mit dem besser klingenden seines Geburtsortes 
vertauscht. Nach Frankreich verschlagen, wurde er Hauslehrer in der 
Familie eines Marseiller Kaufmanns. Es gelang ihm, das Herz der Mutter 
seines Zöglings zu erobern, was mich bei seinem wenig vorteilhaftenÄußern 
immer gewundert hat. Die Frauen sind nun einmal unberechenbar. Bei 
einer im Hafen von Marseille unternommenen Bootfahrt sollen Blowitz und 
seine Angebetete den schlafenden Gatten über Bord geworfen und 
ruhig haben ertrinken lassen. Ungefähr wie bei Zola in seinem spannenden 
Roman Therese Raquin und ihr Amant sich des armen Mr. Raquin 
entledigen. Seine Stellung in Paris verdankte Oppert-Blowitz Herrn 
Thiers, dem er während der ersten bewegten Jahre seiner Präsidentschaft 
wertvolle Informationen geliefert und für den er gleichzeitig durch das 
Sprachrohr der „Times“ die englische öffentliche Meinung gewonnen hatte. 
Wie jeder, der im öffentlichen Leben steht, hatte Blowitz gegen 
Intrigen anzukämpfen und Schwierigkeiten zu überwinden. Einmal war er 
bei Mr. Walter, dem Besitzer der ‚Times‘, wie er behauptete, durch 
Holstein, den er für den größten Intriganten unter der Sonne hielt und 
erklärte, so sehr angeschwärzt worden, daß Mr. Walter beschloß, nach 
Paris zu fahren und dort selbst nach dem Rechten zu sehen. Plötzlich 
erschien er bei Blowitz. Ohne einen Augenblick die Contenance zu verlieren, 
bat ihn dieser zum nächsten Tage zu Tisch, a la fortune du pot, wie er aus- 
drücklich betonte. Als Walter in der eleganten Wohnung von Blowitz 
erschien, fand er dort alle in Paris akkreditierten Botschafter und den 
päpstlichen Nunzius versammelt. In degagiertem Ton sagte Blowitz zu 
letzterem: „Mon cher ami, faites la maitresse de la maison et prenez place 
en face de moi.“ Dann ging man zu Tisch. Mr. Walter saß zwischen dem 
englischen und dem deutschen Botschafter, Lord Lyons und Fürst Chlodwig 
Hohenlohe. Als er sich empfahl, bat er Blowitz, ihm zu erlauben, sein 
Gehalt erheblich zu erhöhen. Ein Mann in solcher gesellschaftlicher Stellung 
sei wert, in Gold gefaßt zu werden. Bei einem Fest, das ich ein Jahr vor 
meinem Rücktritt dem in Berlin tagenden Internationalen Pressekongreß 
im Garten des Reichskanzlerpalais gab, erzählte ich den Teilnehmern des 
Kongresses über ein persönliches Erlebnis mit Blowitz. „Als ich‘, sagte ich 
den Herren, ,‚es war Anfang der achtziger Jahre, an unserer Pariser Bot- 
schaft tätig war, da frug ich einmal, ich war in melancholischer Stimmung, 
ich fand, mein Avancement ginge nicht rasch genug, in der Armee nennt 
man das die Leutnantsmelancholie, den Vertreter der ‚Times‘, Herrn 
Blowitz, der ein kluger Mann war, ob ich Aussichten im Journalismus
	        
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