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Großzügigkeit des englischen Volkes, daß der Enkel eines aus Venedig nach
England eingewanderten israelitischen Kaufmanns nicht nur zum eng-
lischen Premierminister, sondern auch zum Führer der stolzesten Aristo-
kratie der Welt aufstieg. Der Marqueß von Salisbury und Lord Odo Russel,
beide Sprossen alter historischer Geschlechter, die schon unter Queen
Elizabeth geglänzt hatten, ordneten sich willig Disra&li unter. Es spricht
aber auch für die Anziehungskraft und Assimilationsfähigkeit der Eng-
länder, daß es keinen englischeren Engländer gab als den zum Earl of
Beaconsfield erhobenen Benjamin Disraeli. In seiner, dem großen franzö-
sischen Historiker Augustin Thierry gewidmeten schönen Studie über
Tacitus sagt Charles Louandre: „Aux yeux de Tacite tout le mouvement
de l’histoire n’a qu’un but, la grandeur de Rome, au dela de cet horizon il
n’y a que le vide et le neant.“ Wie Tacitus Römer war, so war Disraßli
Engländer. Ganz Engländer und nur Engländer. Jedes seiner Worte war
für das englische Publikum berechnet. Nur englische Interessen, englische
Wünsche und Vorurteile bestimmten sein Tun. Bei großer Höflichkeit und
Liebenswürdigkeit, bei den besten Formen nahm er in Wirklichkeit gar
keine Rücksicht auf nichtenglische Empfindungen und Gesichtspunkte.
Seine äußere Erscheinung war originell. Er trug Schmachtlocken wie ein
galizischer Jude. Weit davon entfernt, seine jüdische Abkunft zu ver-
stecken, war er stolz auf sie. Als einmal im House of Commons auf sie an-
gespielt worden war, hatte schon der junge Benjamin Disraeli geantwortet,
er sei glücklich, dem Volke anzugehören, dessen äußere Hülle unser Herr
und Heiland getragen habe, während er auf Erden wandelte. Er war
übrigens mit zwölf Jahren getauft worden. Disraeli verwandte sehr viel
Sorgfalt auf seine Toilette. Er war stets elegant gekleidet, nach der neuesten
englischen Mode, a true british gentleman.
Der Earl of Beaconsfield war der einzige, der sich bei den Sitzungen
des Kongresses nicht der französischen Sprache bediente, die er ebenso-
wenig sprach wie irgendein anderes fremdes Idiom und kaum verstand.
In dieser Beziehung glich er Matthias Erzberger. Das war aber auch
die einzige Ähnlichkeit zwischen dem englischen Lord und dem Ab-
geordneten von Buttenhausen. Die Reden des Earl of Beaconsfield wurden
im Sekretariat des Kongresses für das Protokoll ins Französische über-
setzt. Er änderte nie etwas an den Übersetzungen, sondern meinte nur
lächelnd: ‚I am glad to have said such nice things.‘ Bismarck war von
Hause aus gegen Disra&li eingenommen. Aber auch die Königin Victoria
hatte einst starke Vorurteile gegen Disra&li gehabt, und es war ihm doch
gelungen, die Gunst of Her most gracious Majesty zu gewinnen. Selbst
Bismarck war bald unter seinem Zauber. „Dizzy‘, wie das englische Volk
Disra&li nannte, war ein großer Seelenfänger.