Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER TREUE FRITZ 453 
dekorieren. Radowitz, der schon Gesandter war, bekam einige Großkreuze, 
Holstein nur Kommandeurkreuze. Also nicht Sterne auf der Brust, sondern 
nur Kreuze um den Hals. Statt sich nun auf den Standpunkt von Ludwig 
Uhland zu stellen, der am 18. Oktober 1816, dem Jahrestag von Leipzig, 
in einem seiner schönsten Gedichte stolz herabblickt auf die Fürstenrät’ 
und Hofmarschälle mit trübem Stern auf kalter Brust, empfand Holstein es 
als eine tödliche Beleidigung, daß er unter den jüngeren Radowitz rangiert 
worden war, und verfolgte ihn seitdem mit einem pathologischen Haß. 
Seine Erregung war um so sinnloser, als er seit dem Arnim-Prozeß nicht 
mehr in Gesellschaft ging, nie einen Orden anlegte und nicht einmal einen 
Frack besaß. 
Das Haus Bismarck stellte sich bei diesem Zwist zwischen Radowitz und 
Holstein auf die Seite des letzteren. Der Fürst hatte Radowitz schon als 
Sohn seines Vaters, des ihm seit 1850 verhaßten Trägers der damaligen 
Union-Politik, nie recht gemocht. Ich habe den Fürsten Bismarck selbst 
erzählen hören, daß er im November 1850, nach dem Eintreffen der Nach- 
richt von dem Rücktritt des Ministers Radowitz, aus Freude eine ganze 
Flasche Sekt getrunken habe. In Holstein erblickte der Fürst den Treuesten 
der Treuen und hat an diesem Glauben unbekümmert um alle Warnungen 
bis zum 20. März 1890 festgehalten. Auch die gute Fürstin Bismarck liebte 
Radowitz nicht, schon weil er pechschwarze, romantisch zurückgekämmte 
Haare hatte, einen aufgedrehten Schnurrbart und sogar ein Monokel trug 
und sehr viel sprach („schwatzte‘). Seine russische Frau konnte sie erst 
recht nicht leiden. Dagegen behandelte sie Holstein in gerührter Erinnerung 
daran, daß er schon zwanzig Jahre früher als Attach& der Gesandtschaft in 
St. Petersburg von ihr liebevoll aufgenommen worden war, wie ein Kind 
des Hauses. Herbert Bismarck stand, so lange er denken konnte, unter dem 
Einfluß des ‚treuen Fritz‘, so wurde Holstein im Hause Bismarck genannt, 
der dem jüngeren Herbert nicht nur durch sein perfektes Französisch 
imponierte, sondern der ihm an Gedankenschärfe und Umsicht, vor allem 
an Verschlagenheit, überlegen war. 
Die gute Meinung des Hauses Bismarck über Holstein wurde nur von 
dem nüchternen Bill nicht ganz geteilt. Holstein, der seine Augen überall 
hatte, alles und alle beobachtete, hatte auch mir seine Aufmerksamkeit 
schon früh zugewandt, wohl weniger um meiner selbst willen, als weil ich 
der Sohn des Staatssekretärs und persönlichen Freundes des Fürsten Bis- 
marck war. Er benutzte während des Kongresses jeden Anlaß, mir 
kleine Aufmerksamkeiten zu erweisen. In diesem ersten Stadium unserer 
Bekanntschaft hatte ich einmal eine längere Unterredung über Holstein mit 
Bill Bismarck, mit dem ich eine Land- und Wasserpartie nach Stralau 
machte. „Was ich von Holstein halte, wollen Sie wissen ?“ meinte Bill in 
Wilhelm 
Bismarck 
gegen 
Holstein
	        
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