Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

456 BISMARCK ALS VATER 
für meine Ohren.“ Das damalige Brautpaar hat eine fast vierzigjährige, 
sehr glückliche Ehe geführt. Ich habe des Grafen Kuno und der Gräfin Marie 
Rantzau schon einmal gedacht. Sie war natürlich, aufgeweckt, tapfer, 
herzensgut; er klar, zuverlässig, verständig. Er ist während des Weltkrieges 
gestorben. Sie lebt noch auf Dobersdorf, dem holsteinischen Gute ihres 
Mannes. Sie hat als Kind Frankfurt am Main und den deutschen Bundestag, 
St. Petersburg während der ersten Regierungszeit des Kaisers Alexander II. 
und Paris in der Glanzzeit des Kaisers Napoleon III. gesehen. Sie hat die 
heroische Ministerlaufbahn ihres Vaters vom ersten bis zum letzten Tage 
miterlebt. Sie erlebte seinen Sturz. Sie mußte auch den Zusammenbruch 
seiner stolzen Schöpfung, des Deutschen Reichs, den Fall des alten, glor- 
reichen Preußen, das Ende von so viel Glück, Ruhm und Größe erleben. 
Herbert Bismarck war bei diesem Familiendiner von übersprudelnder 
Herbert Frische und Heiterkeit wie nur je. Ich hatte aber den Eindruck, als ob er 
Bismarck auf seinen Vater nicht immer einen günstigen Einfluß ausübte. „Bismarck“, 
pflegte Holstein mit gewohnter Bissigkeit zu sagen, „Egoist bis in die 
Fingerspitzen, erblickt in seinem ältesten Sohn sein verlängertes Ich.“ 
Herbert liebte den Kronprinzen nicht. Er räsonierte zu viel und zu ungeniert, 
jedenfalls oft sehr ungerecht über ihn. In Kleists „Hermannsschlacht“ 
richtet der Chor der Barden an den Cheruskerfürsten die herrlichen Verse: 
Du bist so mild, o Sohn der Götter, 
Der Frühling kann nicht milder sein; 
Sei schrecklich heut, ein Schloßenwetter, 
Und Blitze laß dein Antlitz spein! 
So hätte Heinrich von Kleist auch zum Kaiser Friedrich sprechen 
können, der in der Schlacht den Feinden des deutschen Volkes schrecklich, 
als Mensch milde war wie ein deutscher Lenztag. Berechtigter waren 1878 
Herberts Klagen über die Kronprinzessin. Er übertrieb, wenn er behauptete, 
daß sie in ganz Deutschland wirklich nur das von ihren englischen Lands- 
leuten bevorzugte Bad Homburg v. d. Höhe und das von ihrem Bruder, 
dem Prinzen von Wales, in Mode gebrachte Apollinariswasser liebe. Aller- 
dings hätte aber die Frau Kronprinzessin besser getan, während der Zeit, 
wo der Kronprinz für seinen erkrankten Herrn Vater stellvertretend die 
Regierung führte, nicht so oft die Vorträge der Minister zu unterbrechen, 
um ihren Mann zu einem „constitutional walk“ aufzufordern. Nicht ohne 
Humor und auch nicht ganz mit Unrecht meinte Herbert, daß der Prince- 
Consort kaum gewagt haben würde, die Vorträge englischer Minister bei 
Her most gracious Majesty the Queen in dieser Weise zu stören. 
Auf der Fahrt nach Biarritz verweilte ich einige Tage in Paris. Die 
Tage in Paris französische Hauptstadt stand ganz im Zeichen der Weltausstellung, die
	        
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