Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Nach Flotibek 
Reise nach 
Hamburg 
Il. KAPITEL 
Hamburg und Klein-Flottbek » Geburtshaus an der Flottbeker Chaussee »« Verwandte 
und Jugendfreunde + Die erste Seefahrt - Alkohol 
en Sommer verbrachten wir im Landhause meiner Großmutter 
mütterlicherseits, der Frau Emilie Rücker in Flottbek an der Elbe. 
Die Familie Rücker stammte aus Schweinfurt, der alten, zwischen reben- 
bekränzten Hügeln im Herzen des fränkischen Weinlandes anmutig ge- 
legenen Reichsstadt, die übrigens ihren Namen nicht von dem viel ver- 
lästerten und dabei so nützlichen Borstentier ableitet. Schweinfurt soll 
Sueven- oder Schwabenfurt bedeuten, die Furt der Schwaben, wie Frankfurt 
die Furt der Franken. Als ich Reichskanzler geworden war, übersandte mir 
ein Schweinfurter Bürger die Abbildung eines Grabmals in der Schwein- 
furter Hauptkirche, das meinen Vorfahr, den Schultheiß Barthold Rücker 
darstellt, wie er andächtig vor dem Gekreuzigten kniet. Die Inschrift des in 
Sandstein ausgeführten Denkmals lautet: „Anno Domini 1377 in crastino 
beati Matthei apostoli obiit Bartholdus Ruecker scultetus in Swinfurt, cujus 
anima requiescat in pace. Amen.“ Neben dem knienden Schultheiß ist das 
Wappen angebracht, das die Familie Rücker sowohl in ihrem deutschen wie 
in dem nach England ausgewanderten Zweige führt, eine Jungfrau. Während 
des Dreißigjährigen Krieges, wo Schweinfurt trotz seiner Reichsunmittel- 
barkeit abwechselnd von den Schweden und von den Kaiserlichen ge- 
brandschatzt wurde, siedelte die Familie Rücker nach Hamburg über, dem 
sie in Senat und Bürgerschaft tüchtige Männer stellte. 
Die Reise von Frankfurt nach Hamburg und Flottbek war damals nicht 
so einfach wie jetzt. Kaum zehn Minuten nach Beginn der Fahrt mußte ein 
längerer Aufenthalt in Bockenheim genommen werden. Denn Bockenheim 
gehörte dem Kurfürsten von Hessen, und dieser verlangte, daß in der 
„jüngsten kurhessischen Stadt‘, obwohl sie in Wirklichkeit nur eine Vor- 
stadt von Frankfurt war, seiner Landeshoheit gehuldigt wurde. In Kassel 
war ein noch viel längerer Aufenthalt. Zwischen Münden und Göttingen 
bestand noch keine Schienenverbindung. Diese Strecke mußte zu Wagen 
zurückgelegt werden. In Hannover, wo wir, wenn die Abfahrt von Frankfurt 
am Morgen stattgefunden hatte, gegen neun Uhr abends eintrafen, wurde
	        
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