Kuraufenthalt
in Biarritz
458 IM WELTBAD
von Wales hatte die Befreiung des meerumschlungenen Schleswig-Holstein
durch den Krieg von 1864 für einen Schandfleck in der deutschen Ge-
schichte erklärt. Er hatte 1866 gefunden, daß Österreich für Recht und
Gerechtigkeit kämpfe, und vollends im Deutsch-Französischen Kriege
seine franzosenfreundliche Gesinnung so unverhüllt zur Schau getragen,
daß der Premierminister Gladstone ihm ernstliche Vorstellungen machen
und schließlich seine würdige Frau Mutter ihm eine Rüge erteilen mußte.
Schon im Sommer 1818 lag zu Tage, daß die Pariser Weltausstellung
nicht nur an und für sich ein Erfolg war, sondern daß sie auch Frankreich
die Möglichkeit geboten hatte, wenige Jahre nach seiner Niederlage im
Deutsch-Französischen Kriege, nach dem blutigen Bürgerkrieg der Com-
mune, der zweimonatigen Herrschaft des Sozialismus in der Hauptstadt
Paris seine Vitalität, seine Elastizität und vor allem seine in leidenschaft-
lichem Patriotismus verankerte Staatsgesinnung zu betätigen. Und alle
europäischen Nationen wetteiferten, Frankreich ihre Sympathie zu be-
zeigen. Außer dem Prinzen von Wales hatte sich auch der Prinz Amadeus
von Italien, der zweite Sohn des Königs Viktor Emanuel, als Vertreter
seines Vaters in Paris eingefunden.
Nach kurzem Aufenthalt in der französischen Hauptstadt setzte ich
meine Reise mit dem spanischen Expreßzug fort und traf anscheinend wohl
in Biarritz ein. Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem Erstickungs-
anfall, ähnlich dem Anfall, der mich nicht lange vorher in Berlin heim-
gesucht hatte. Während vor meinem Fenster die Kurkapelle flotte Offen-
bachsche Melodien spielte, die südliche Sonne in mein Zimmer schien und
der Atlantische Ozean rauschte, war mir recht elend zumute. Ich rang nach
Luft und glaubte mir Erstickung und Tod nahe. Ich klingelte, man rief
einen Arzt. Zu den Ärzten, denen ich bis heute dankbar geblieben bin,
gehört außer meinem treuen Freund Renvers und meinem Arzt in Bad
Oeynhausen, dem Dr. Cohn, der mich trotz meines damals ziemlich un-
befriedigenden Gesundheitszustandes nicht abhielt, mich als Kriegs-
freiwilliger zu melden, auch der Doktor Adhema in Biarritz. Nachdem er
mir in den Hals gesehen hatte, holte er aus seiner Brusttasche eine scharfe
Schere heraus, mit der er mir in Zäpfchen und Mandeln schnitt. Die Zunge,
meinte er, würde auch ohne Inzision wieder abschwellen. Wir könnten sie
vorläufig in Ruhe lassen und die Lippen und die Augen auch. Er war in
seiner Jugend Militärarzt gewesen und hatte unter Bugeaud, dem populären
undiin dem berühmten Soldatenliedchen von der Casquette du P£re Bugeaud
gefeierten Marschall gegen Abd-el-Kader, den Emir von Maskara, gedient.
Solche plötzliche Anschwellung des Halses war ihm während seiner Dienst-
zeit mehrfach als Folge starker und plötzlicher Klimawechsel vorgekommen.
Er meinte, meine beiden Attacken seien wohl die Folge des raschen Über-