EIN GROSSER PATIENT 459
gangs aus dem griechischen in das Berliner Klima und dann vier Monate
später der Reise von Berlin nach der Mündung des Adour.
Da ich meinem Vater versprochen hatte, ihm wahrheitsgemäß über
meinen Gesundheitszustand zu berichten, verschwieg ich ihm meine neue
Halsentzündung nicht. Ich schloß meinen Brief mit einem schönen Zitat aus
dem römischen Dichter, der an die Göttin Fortuna die stolzen Worte
richtet:
Laudo manentem: Si celeres quatit
Pennas, resigno quae dedit, et mea
Virtute me involvo.
Mein Vater antwortete mir, daß er Verständnis und Achtung für die
stoische Weltauffassung habe. Aber lieber wäre es ihm, wenn ich in Krank-
heit und Not zu Gott aufblickte und seinem eingeborenen Sohn. Dort allein
sei Trost und Hilfe zu finden und wahre Ruhe für die Seele. Inquietum cor
nostrum donec requiescat in Te.
Doktor Adhema hatte während seiner langen ärztlichen Praxis einen
sehr berühmten Patienten gehabt, nämlich den Monsieur de Bismarck-
Schönhausen, den damaligen preußischen Außerordentlichen Gesandten
und bevollmächtigten Minister am französischen Kaiserhof. Während einer
übrigens nicht gefährlichen Indisposition, die Bismarck während seines
Aufenthaltes in Biarritz befallen hatte, war er von Adh&ma behandelt
worden. Über den Inhalt seiner damaligen Unterredungen mit Napoleon III.,
die ihm die Straße nach Düppel und Sadowa ebnen sollten, hatte der
preußische Gesandte dem guten Adhema nichts gesagt. Aber einen bedeu-
tenden Eindruck hatte der Preuße ihm doch gemacht. „Il avait beaucoup
d’esprit, beaucoup de vivacite, un grand entrain, enorm&ment d’aplomb.
Il etait tres persuasif. Les femmes Etaient enchantees de lui. Les hommes
aimaient ä dire qu’il n’etait pas un homme serieux. Il nous a assez prouve£,
helas, qu’il n’etait que trop serieux.“ Ich schrieb meinem Vater, der es
gelegentlich Bismarck erzählte, von Adhe&ma. Bismarck, der ein stupendes
Gedächtnis hatte, trug mir Grüße für seinen Biarritzer Arzt auf, an den er
sich noch sehr wohl erinnerte. Adhe&ma freute sich, daß der große Minister
ihn nicht vergessen hatte, aber in einer für die Stärke wie für die Empfind-
lichkeit des französischen Nationalgefühls charakteristischen Weise be-
schwor er mich, niemand in Frankreich zu erzählen, daß der deutsche
Reichskanzler ihn habe grüßen lassen.
Von Biarritz aus habe ich wunderschöne Ausflüge gemacht. Ich mietete
mir einen kleinen Ponywagen mit zwei munteren Pferdchen, die ich selbst
lenkte. Ich fuhr nach Bayonne, von dessen Quai ich einen schönen Ausblick
auf die Mündung des Adour und den Atlantischen Ozean hatte. Hier hat
Bismarcks
Arzt
In die
Pyrenäen