DER KÜHNE SPRINGER 489
Reichspolitik. Ich habe ihn oft auf seinem schönen Schloß Lichtenwalde
besucht, das romantisch am Ufer der Zschopau liegt, auf schrofler Höhe.
Von hier wagte Harras, der kühne Springer, mit Lebensgefahr den rettenden
Sprung in die grausige Tiefe, den Theodor Körner, selbst ein Sohn Sachsens,
besungen hat:
Da hält er auf steiler Felsenwand,
Hört unten die Wogen brausen.
Er steht an des Zschopautals schwindelndem Rand
Und blickt hinunter mit Grausen.
Aber drüben auf waldigen Bergeshöhn
Sieht er seine schimmernde Feste stehn,
Sie blickt ihm freundlich entgegen,
Und sein Herz pocht in lauteren Schlägen.
Und der kühne, gräßliche Sprung gelingt,
Ihn beschützen höhre Gewalten;
Wenn auch das Roß zerschmettert versinkt,
Der Ritter ist wohlerhalten;
Und ’er teilt die Wogen mit kräftiger Hand.
Und die Seinen stehn an des Ufers Rand
Und begrüßen freudig den Schwimmer —
Gott verläßt den Mutigen nimmer.
Fritz Vitzthum war in seiner Heimat sehr populär. Im ganzen Umkreis
von Lichtenwalde, rechts und links der Zschopau, hieß er „Unser Graf“.
Die November-Revolution trat bekanntlich in Sachsen in besonders
häßlicher Form auf. Aber niemand wagte sich an den Schloßherrn von
Lichtenwalde, selbst nicht in der Zeit, wo der „Freistaat“ Sachsen von dem
Genossen Zeigner regiert wurde. Und als der Kommunist Max Hölz sich
in Sachsen betätigte, wie hundertzwanzig Jahre früher der Schinderhannes
am Rhein Schlösser, Pachthöfe und Pfarreien heimgesucht hatte, blieb
Lichtenwalde unversehrt.
Auch Graf Nikolaus Wallwitz war, wie Fritz Vitzthum, als Legations-
sekretär der Gesandtschaft in Bukarest zugeteilt, während ich sie leitete.
Er hat später als Gesandter in Teheran, Luxemburg, Hamburg und
Stockholm treffliche Dienste geleistet. Er hat vor allem als Gesandter in
Brüssel sich dort eine sehr gute Stellung gemacht und das Vertrauen des
belgischen Hofes wie der belgischen Regierung erworben. Manches wäre
anders gekommen, wenn dieser umisichtige, gewissenhafte und kluge
Diploniat auf dem wichtigen Brüsseler Posten belassen worden wäre.
Nikolaus Wallwitz vermählte sich. 1896 mit meiner lieben Stieftochter, der
Gräfin Eugenie Dönhoff. Sie ist ihm in glücklicher Ehe auf allen von ihm
Graf Nikolaus
Wallwitz