Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

General 
Fleury 
496 EIN BONAPARTISTISCHER ABENTEURER 
Betrügereien gegen ihn schwebende Untersuchungen niederschlagen lassen. 
Als ganz junger Mensch hatte er den Grafen Alexander Girardin, den 
Oberjägermeister des Königs Karl X., durch einen Skandalprozeß ge- 
zwungen, ihn als seinen natürlichen Sohn anzuerkennen. Er war auch einmal 
der Gatte einer moralisch hoch über ihm stehenden Frau, der geist- und 
gemütvollen Schriftstellerin Delphine Gay, gewesen. Er hatte den edlen 
Idealisten Armand Carrel im Duell erschossen, der, indem er sich 1830 an 
die Spitze der gegen die Juli-Ordonnanzen des Ministeriums Polignac 
protestierenden Pariser Journalisten stellte, die Juli-Revolution und 
die Juli-Monarchie herbeiführte. Girardin rühmte sich in jedem der von 
ihm Tag für Tag geschriebenen Leitartikel immer wieder, eine ganz neue 
Idee zu lancieren. „Une idee par jour“ war sein Wahlspruch. In seinem 
Auftreten, seinem Aussehen, seiner Konversation war er der verkörperte 
Zynismus, 
Auch der General Fleury war eine interessante Erscheinung. Nachdem 
er als junger Mensch sein Vermögen verspielt hatte, war er unter der Juli- 
Monarchie mit zweiundzwanzig Jahren in Algier Spahi geworden, hatte 
sich brav geschlagen und war bald zum Schwadronschef avanciert. 1848 
trat er dem damaligen Präsidenten der Französischen Republik, Louis 
Napoleon, näher, der Leute wie ihn brauchen konnte. Fleury und Morny 
bereiteten den Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 vor und führten ihn 
mit Umsicht und Energie durch. Nach der Proklamierung des Kaiserreichs 
zum Adjutanten des Kaisers, Senator und Großstallmeister ernannt, genoß 
er das volle Vertrauen des Kaisers Napoleon III. wie der Kaiserin Eug£nie, 
für deren besonderen Günstling er galt. Emile de Girardin vertraute mir 
einmal bei Henckel an, allerdings, nachdem er viel guten Chäteau-Margaux 
getrunken hatte, daß General Fleury der wirkliche Vater des Prince 
Imperial gewesen sei. „Au moins“, fügte er hinzu, „Fleury est Francais, 
tandis que le vrai pere de Napoleon III &tait un amiral hollandais.‘“ Im 
Herbst 1869 war General Fleury zum französischen Botschafter in 
St. Petersburg ernannt worden. Als solcher erlebte er den Ausbruch des 
Deutsch-Französischen Krieges, die Niederlage Frankreichs, den Donner- 
schlag von Sedan. Ich habe schon in Paris und später von französischen 
diplomatischen Kollegen erzählen hören, daß Fleury, als er diese traurige 
Mär hörte, zunächst sprachlos war. Dann entlud sich seine Erregung in 
einem soldatischen Fluch, der schwer wiederzugeben wäre, und schließlich 
meinte er: „C’est egal! Nous nous sommes bien amuses.‘“ Die Frivolität 
des bonapartistischen Abenteurers stand auf der Höhe des Leichtsinnes, 
mit dem, wie ich schon erwähnt habe, vier Jahre früher der altösterreichische 
Kavalier Fürst Richard Metternich die Nachricht von der Niederlage seines 
Vaterlandes bei Königgrätz aufgenommen hatte.
	        
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