34 DER ELBPARK
Jenisch hatte durch Reederei wie durch große Bankgeschäfte mit der Krone
Dänemark ein stattliches Vermögen erworben, den ihm von Dänemark
angetragenen Grafentitel aber abgelehnt mit dem Selbstgefühl des
Hamburgers von altem Schrot und Korn. In der bösen Franzosenzeit, als
Hamburg „bonne ville de l’Empire Francais‘ wurde, war er von Napoleon
zum Senateur de l’Empire ernannt worden. Das hat ihn aber nicht verhindert,
die Rechte seiner Vaterstadt den Franzosen gegenüber mit Energie zu
vertreten. Sein ältester Sohn, Martin Jenisch, wurde Senator wie sein Vater
und betätigte sich in dieser Eigenschaft als Führer der äußersten Rechten.
Er war ein Freund des Generals Leopold von Gerlach in Berlin und aller
mecklenburgischen Feudalen. Er besaß in Hamburg an den Großen
Bleichen ein stattliches Stadthaus mit einer guten Gemäldegalerie, wo ich
den ersten malerischen Anschauungsunterricht erhielt. In diesem Haus gab
nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg der Hamburger Senat
unserem alten Kaiser Wilhelm I. ein Festmahl, als dieser 1881 Hamburg
seinen ersten Besuch als Deutscher Kaiser abstattete.
Eine gute Stunde von Hamburg entfernt besaß der Senator Martin
Jenisch den auch von Fremden viel besuchten Jenisch-Park bei Teufels-
brück an der Elbe, der aus dem eigentlichen Park, dem Elbpark, und dem
Quellenpark bestand. Im Hauptpark war ein schönes Palmen- und ein noch
schöneres Orchideenhaus, wo diese in Deutschland noch seltene Blume in
den wunderbarsten Spielarten kultiviert wurde. Wenn der Senator Jenisch,
in der linken Hand eine goldene Lorgnette, die rechte aufeinen Bambusstock
mit goldenem Knopf gestützt, seine Orchideen betrachtete, bot er einen
Anblick behaglicher Zufriedenheit, wie sie mir in dieser Welt, wo, wie oft
gesagt, die Zahl der Unzufriedenen die der Zufriedenen erheblich über-
steigt, selten wieder begegnet ist. In Holstein gehörten ihm zwei Ritter-
güter,in Jütland die Herrschaft Kalö an einer Bucht der Ostsee. Aber auch
für ihn kam ein letztes Glück und ein letzter Tag. Er starb im besten
Mannesalter, in den fünfziger Jahren. Zu seinem Universalerben bestimmte
er den jüngeren Bruder meiner Mutter, Alfred Rücker. Ich glaube, daß das
eine Enttäuschung für meinen guten Vater war, der gehofft haben mochte,
daß ich als Patenkind des Senators Martin Jenisch einmal den Besitz des
von diesem gestifteten ansehnlichen Fideikommisses antreten würde. Ich
führe in der Tat als dritten Namen den Namen Martin. Ich halte heute meine
damalige Übergehung für eine gnädige Fügung der Vorsehung, und das
nicht nur, weil, wie Helmerding in einem alten Berliner Couplet sang,
Reichtum allein nicht glücklich macht. Wäre Kalö an mich gefallen, so
hätte mich das Schwergewicht der damit verknüpften Interessen vielleicht
doch in die Richtung des Öresund schieben können. Ich danke Gott, daß
ich Deutscher blieb.