Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Im Waggon 
auf Station 
Frankfurt 
>12 BEILEID WILHELMS 1. UND BISMARCKS 
gewölbte Stirn trat mächtig hervor. Meine Mutter schloß ihm die Augen. Am 
nächsten Tage traf der nachstehende, eigenhändig geschriebene Brief des 
Kaisers aus Baden-Baden ein: 
„Nächst Ihnen, gnädige Frau, und Ihrer Familie hat wohl niemand in 
Preußen ein näheres Anrecht auf Trauer als ich, auf eine gerechte Trauer, 
bei dem Hintritt Ihres Gemahls! Wenn ich es nicht aussprechen kann, 
was ich an ihm verloren habe! Was müssen Sie und die Ihrigen empfinden!! 
Nicht nur den Staatsmann habe ich in dem Entschlafenen verloren, 
sondern einen Freund, der mein ganzes Vertrauen besaß und mit einer 
seltenen Hingabe, mit einer Umsicht vermittelndem Sinn und Herzen, 
immer gleichem freiem Blick und Entschluß, nach reiflicher Überlegung 
immer das Rechte treffend. — So viele vereinte Eigenschaften ersetzen 
sich nicht so leicht, und namentlich bei meinem hohen Alter sind solche 
Verluste kaum zu ertragen!! Möge Gott Ihnen diesen herben Schlag durch 
Ergebung in Seinen Willen tragen helfen, den Teilnahme wohl lindern 
kann, aber der Allmächtige allein vernarben läßt! Ihr tief erschütterter 
König Wilhelm.“ 
Bald nachher erhielt ich das nachstehende Telegramm des Fürsten 
Bismarck: 
„Legationssekretär von Bülow. Mit tiefem Schmerz habe ich Ihr 
Telegramm gelesen. Ich bitte, Ihrer Frau Mutter meine herzliche Teil- 
nahme auszusprechen. Nächst Ihnen und den Ihrigen trifft mich der 
Verlust am härtesten, persönlich und amtlich. 
von Bismarck.“ 
Das Original dieses von Fürst Bismarck selbst niedergeschriebenen 
Telegramms hat mir Herbert Bismarck später zur Erinnerung an seinen 
großen Vater geschenkt. 
Im Laufe des Nachmittags erhielt ich ein Telegramm des Flügel- 
adjutanten Grafen Lehndorff aus Baden-Baden, in dem es hieß, daß der 
Kaiser auf seiner Rückreise nach Berlin Frankfurt zwischen zwölf und 
ein Uhr nachts passieren und während des zehn Minuten dauernden Auf- 
enthaltes mich in seinem Waggon empfangen würde. Der Kommandant 
von Frankfurt, der General von Loucadou, holte mich um Mitternacht ab, 
um mich an die Verbindungsstation zu bringen. Als der kaiserliche Zug ein- 
gelaufen war, kam Graf Lehndorff auf mich zu und sagte mir: „Der Kaiser 
erwartet Sie in seinem Abteil. Er ist bis jetzt aufgeblieben, weil er Ihnen 
persönlich für Sie, Ihre Frau Mutter und Ihre Brüder seine innige Teilnahme 
aussprechen will. Treten Sie in den Wagen.“
	        
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