Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

NEUE FAHNEN 515 
einen freundlichen und gütigen Mann gehalten. Aber jetzt erinnern Sie mich 
an die Hexen in Macbeth. ‚Heil dir, Than von Glamis! Heil dir, Than von 
Cawdor!““* Er lächelte und blieb bei seiner Ansicht. Alexander Hohenlohe 
hat mir später erzählt, daß sein Vater ihm bald nach meinem Dienstantritt 
in Paris gesagt hatte: „Sieh dir den jungen Bülow an, der kann einmal 
Reichskanzler werden.“ 
Am 14. Juli 1880, dem Tage, an dem einundneunzig Jahre früher die 
Bastille erstürmt und der nach dem endgültigen Siege der republikanischen 
Staatsform in Frankreich zum Nationalfesttag erklärt worden war, fand 
eine große Parade im Bois de Boulogne statt. Auf dem Felde von Long- 
champs übergab der Präsident der Republik Abordnungen aller Regimenter 
die neuen Fahnen. Auf ihnen waren die Siege der französischen Armee 
verzeichnet: Rocroy und Fontenay, Valmy und Jemappes, Arcole und 
Rivoli, Marengo und Austerlitz, Jena, Wagram, Isly, Inkerman, Magenta, 
Solferino, Puebla. So wurde dem französischen Volk das Bewußtsein seiner 
großen kriegerischen Traditionen lebendig erbalten, wie das die Pflicht 
jeder patriotischen, klugen und zielbewußten Regierung ist. Ich wohnte 
dem prächtigen Schauspiel in der Präsidentenloge bei. Die Truppen kamen 
gut vorbei. Der Enthusiasmus der nach vielen Tausenden zählenden Zu- 
schauer war unbeschreiblich. Gewiß wollte Frankreich nach wie vor den 
Frieden, aber die stolze Seele des bis in die Knochen chauvinistischen und 
nationalistischen Volkes hatte sich nach der furchtbaren Erschütterung 
der „annee terrible‘“ wiedergefunden und blickte mit unbegrenzter Liebe 
und Vertrauen auf die Armee des Landes. 
Dieser Empfindung gab Gambetta Ausdruck, als er bei der glänzenden 
Flottenrevue, die im August in Cherbourg stattfand, erklärte, der leiden- 
schaftliche Kultus des französischen Volkes für seine Armee, die alle Kräfte 
der Nation in sich vereinige, die sich aus dem reinsten Blut des Landes 
rekrutiere, entspringe der Notwendigkeit, Frankreich wiederaufzurichten, 
damit es seinen früheren großen Platz in der Welt wieder einnehme. Diese 
Rede wurde in Deutschland nicht mißverstanden. Kaiser Wilhelm I., dem 
jede Großsprecherei fernlag, der sich aber Ungebührlichkeiten nicht ge- 
fallen ließ, richtete am 2. September 1880, dem zehnten Gedenktage von 
Sedan, eine in ihrer ruhigen Würde wirkungsvolle Kundgebung an die 
Armee. Er spendete dem französischen Heer das Lob eines für seine aus- 
gezeichneten Eigenschaften bekannten Heeres, gab seinem wärmsten 
Dankgefühl Ausdruck für die hochverehrten Männer, die in der Ruhmeszeit 
1870/71 das deutsche Heer geführt hätten, erinnerte an die schweren, 
schmerzlich betrauerten Opfer, mit denen der Sieg erkämpft worden sei. 
Sein letzter Gedanke noch würde ein Segenswunsch für die Armee sein. 
Möge die Armee stets dessen eingedenk bleiben, daß sie nur dann große 
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Parade im 
Bois de 
Boulogne 
Gambettas 
Rede in 
Cherbourg
	        
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