Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER NÜTZLICHE RUMÄNE 523 
große König, dem diese Sicherheit des Auftretens gefiel, sagte zu Villaume, 
er wolle ihın zeigen, daß der König von Preußen seine Sekretäre noch besser 
behandle als der boshafte Mr. de Voltaire die seinigen, und nahım ihn in 
seine Dienste. Der Enkel, der Major von Villaume, war ein tüchtiger, sehr 
rühriger Artillerieoffizier. Seine Bitte an mich war einigermaßen heikel. Es 
hatte sich bei ihm ein Rumäne gemeldet, der ihm Beweise dafür liefern 
wollte, daß der französische Generalstab in den Rheinlanden einen aus- 
gedehnten Spionagedienst organisiert habe, um auf diese Weise Verbin- 
dungen mit deutschen Unteroffizieren und Bürobeamten anzuknüpfen. 
Major von Villaume fügte hinzu, seine Wohnung werde so sorgsam über- 
wacht, daß er den Rumänen unmöglich selbst empfangen könne. Ob ich 
ihm meine Wohnung zur Verfügung stellen wollte? Das tat ich und empfing 
in dem eleganten Appartement, das ich von 1880 bis 1884 in der Rue 
Montaigne 71 bewohnt habe, den Wallachen. Dieser lieferte Villaume in der 
Tat die Beweise, daß es französischen Emissären gelungen war, eine Anzahl 
pflichtvergessener Deutscher zur Preisgabe wichtiger dienstlicher Geheim- 
nisse zu verführen. Die Betreffenden haben, nachdem ihre Schuld unwider- 
leglich bewiesen war, die wohlverdiente längere Zuchthausstrafe abbüßen 
müssen. Mit dem Rumänen habe ich mich nach nıeinem Grundsatz, mich 
möglichst in jeder Richtung zu orientieren und so meinen Gesichtskreis zu 
erweitern und meine Menschenkenntnis zu vervollständigen, wiederholt 
eingehend unterbalten. Er erzählte mir vielerlei aus seinem bewegten Leben, 
wie spioniert würde und wie man es anfange, um nicht abgefaßt zu werden. 
Das Hauptfeld seiner Tätigkeit seien die Eisenbahnen, wo sich am leich- 
testen Bekanntschaften anknüpfen ließen. Als er sich von mir verabschie- 
‚dete, gab mir der Rumäne seine Karte mit den Worten: „Man kann niemals 
wissen, wen man einmal brauchen kann und wofür. Hat doch einmal eine 
arme Maus einem großmächtigen Löwen aus der Not geholfen. Wenn ich 
Ihnen jemals nützlich sein kann, so verfügen Sie ganz über mich. Ihnen 
stehe ich zu jedem Dienst zur Verfügung.“ Von diesem Anerbieten habe ich 
keinen Gebrauch gemacht. Dagegen besitze ich noch einen schönen Stock, 
den er mir als Zeichen seiner persönlichen Wertschätzung schenkte und als 
Andenken an ihn zu behalten bat. 
Das Diplomatische Korps in Paris war sehr zahlreich. Bismarck pflegte 
scherzend zu sagen, Paris scheine der einzige wirklich gesunde diplomatische 
Posten zu sein. In allen anderen Städten klagten die Diplomaten über das 
Klima und wünschten eine Luftveränderung. Nur in Paris wollten sie alle 
bleiben. Paris war und ist in der Tat eine wundervolle Stadt und mit Rom 
der Ort der Welt, wo es sich für Fremde am besten leben läßt. Wer große 
historische Erinnerungen sucht, die erlesensten Meisterwerke der Kunst, 
die Stadt, wo unter blauem Himmel hoch der Lorbeer steht, der gehe nach 
Das 
Diplomatische 
Korps
	        
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