Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BEUSTS HYPOTHESE 525 
Herausgeberin der chauvinistischen Zeitschrift „Nouvelle Revue“, wurde. 
Als Geschäftsträger mußte ich Beust von Zeit zu Zeit aufsuchen. Er sprach 
ungern über aktuelle diplomatische Fragen, die ihn gar nicht interessierten, 
kam aber immer wieder auf die Zeit von 1848 bis 1866 zurück. Dabei erging 
er sich gelegentlich in geradezu skurrilen Betrachtungen. Unter Hinweis 
darauf, daß die Familie Beust aus der Havelberger Gegend stammte, also 
aus der Mark Brandenburg, Bismarck aber in den fünfziger Jahren sich 
angeblich mit dem Gedanken getragen habe, Minister des blinden Königs 
Georg V. von Hannover zu werden, sagte er mir: „Wenn ich, Beust, 
leitender preußischer Staatsmann geworden wäre, Bismarck aber han- 
noverscher Minister, so würde ich mit ihm noch ganz anders umgesprungen 
sein wie er mit dem armen Grafen Adolf Platen.‘“ Er schien gar nicht zu 
fühlen, wie lächerlich diese Hypothese war. Beust wurde erst 1882 in den 
wohlverdienten Ruhestand versetzt. Den Anstoß zu seiner Entlassung gab 
ein Inkognitobesuch der Kaiserin Elisabeth von Österreich in Paris. Bei 
ihrer Rückkehr sagte sie ihrem hohen Gemahl. dem Kaiser Franz Josef, daß 
er sich nicht länger von einem ridikülen und dabei bösartigen Menschen 
wie dem Grafen Friedrich Ferdinand Beust in einer europäischen Groß- 
stadt vertreten lassen dürfe. Erster Sekretär der Österreichisch-Ungarischen 
Botschaft war unter Beust GrafAgenor Goluchowski. Wir sollten später 
gleichzeitig Gesandte in Bukarest und darauf, ebenfalls gleichzeitig, Minister 
des Äußern werden. 
Der englische Botschafter, Lord Lyons, war neben Hohenlohe und dem 
Fürsten Orlow der distinguierteste Botschafter in Paris. Wie die meisten 
Engländer, beurteilte er alles, die wichtigen und die kleinen Fragen, aus- 
schließlich vom englischen Standpunkt aus. Bei einem großen Diner in 
seinem Hause setzte er den Attach& der Deutschen Botschaft, den Erb- 
prinzen Erni von Hohenlohe-Langenburg, über alle französischen Minister 
und sogar über die andern Botschafter. Er motivierte das damit, daß der 
Erbprinz von Hohenlohe-Langenburg ein Großnefle Ihrer Majestät der 
Königin Victoria sei und deshalb allen vorzugehen habe. Italienische Bot- 
schafter waren während meiner Dienstzeit in Paris zwei Männer, die eine 
große Rolle in der Geschichte ihres Landes gespielt hatten. Der General 
Enrico Cialdini, Herzog von Gaöta, hatte 1848 und 1859 gegen Österreich 
gekämpft, 1860 die von dem französischen General Lamoriciere geführten 
päpstlichen Truppen bei Castelfidardo geschlagen und 1861 die Festung 
Gaöta, den letzten Zufluchtsort der neapolitanischen Bourbonen, zur 
Kapitulation gezwungen, Graf Menabrea war in den sechziger Jahren erst 
Marine- und dann Bauten-Minister gewesen, von 1867 bis 1869 mit Aus- 
zeichnung Ministerpräsident. Er stammte, wie Blanc, Pelloux, Barral und 
andere führende Männer des modernen Italien und wie die italienische 
Lord Lyons
	        
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