Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER KARDINAL 527 
für die Geschicklichkeit, mit der Anatole France seinen Monsignore Cima 
unbequemen Fragen ausweichen und jede bestimmte Meinungsäußerung 
vermeiden läßt, hätte der Nunzius Czacki dem französischen Roman- 
schreiber als Vorbild dienen können. Aber das von den Italienern so sehr 
gefürchtete Malocchio besaß Czacki nicht. Der Verkehr mitihm hat mirnicht 
geschadet, sondern mir Anregung und Belehrung geboten. Dieser romani- 
sierte Pole war ein vorzüglicher Vertreter der päpstlichen Diplomatie ge- 
worden, die in gewisser Beziehung die beste der Welt ist. Er war natürlich 
und unbefangen und dabei von der größten Vorsicht. Er gab in prinzipiellen 
Fragen nie nach, war aber im übrigen so akkommodant, so opportunistisch 
wie möglich. Obschon die Beziehungen der französischen Regierung zur 
katholischen Kirche schon recht gespannt waren, behandelte er die 
kirchenfeindlichen französischen Minister und Parlamentarier mit der 
größten Liebenswürdigkeit. Ich habe ihn oft auf dem Sofa neben Jules 
Ferry, Freycinet, Spuller, Paul Bert sitzen und mit ihnen Zigaretten rauchen 
sehen, in angeregter Unterhaltung. Die Mitglieder des französischen Klerus 
behandelte er, wie ich mich, wenn ich ihn besuchte, selbst überzeugen 
konnte, von oben herunter: „Ces gens-la par leur fanatisme £troit et lourd, 
qu’ils appellent foi, gätent les meilleurs, les plus fines combinaisons. J’en ai 
pardessus la tete.“ Monsignore Czacki war ein großer Bewunderer des 
Fürsten Bismarck. Er bezeichnete es mir schon bei unserer ersten Begegnung 
als seinen höchsten Wunsch, den größten Staatsmann des Jahrhunderts, 
wie er sich ausdrückte, kennenzulernen und mit ihm einen Modus vivendi 
zwischen der Kirche und Deutschland zu finden. ‚„Avec un si grand homme 
on trouve toujours une combinaison. L’Eglise s’est arrangee avec Clovis 
et avec Napoleon I. Elle s’arrangera avec le Prince de Bismarck. Du reste, 
Leon XIII ne demande pas mieux que d’arriver ä& un arrangement avec 
votre grand Chancelier.‘‘ Monsignore Czacki ist Kardinal geworden. Er ist 
in Rom gestorben, wo er in der alten Kirche Santa Pudenziana, nach der 
Überlieferung die älteste eigentliche Kirche Roms, beigesetzt worden ist. 
Nach der Tradition soll der Apostel Petrus im Hause des Senators Pudens 
gewohnt und dort ein Gebethaus errichtet haben. Das Bronzegrabmal des 
1888 verstorbenen Kardinals Czacki stellt ihn liegend in Lebensgröße dar. 
Ich besuche ab und zu diese ehrwürdige Kirche, die zu den sogenannten 
Kardinalizischen Kirchen gehört und Czacki verliehen wurde, als er den 
Roten Hut erhielt. Die Bronzestatue des Kardinals ist so ähnlich, daß ich 
den von mir sehr verehrten Kirchenfürsten zu sehen glaube, wenn ich vor 
sie trete. 
Wohl der intelligenteste der in Paris wirkenden Missionschefs war der 
belgische Gesandte, der seit fast einem Menschenalter dort tätige Baron 
Beyens. Es wurde ihm jüdische Abstammung nachgesagt, und jedenfalls 
Baron Beyens
	        
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