Der spätere
Eduard VII.
Donna
Minghetti und
Gräfin
Dönhoff
528 DIE GANZE UND DIE HALBE WELT
war er hetriebsam und klug. Seine Frau, eine Spanierin, konnte sich wie die
Fatinitza in der hübschen Operette von Franz Suppe rühmen, daß sie viel
gesehen und erlebt hatte. Sie sagte einmal zu mir: „Als ich jung war, ver-
drehte ich Botschaftern die Köpfe. Jetzt, wo ich alt bin, habe ich mich in
einen italienischen Attache verliebt, der mein Sobn sein könnte und der vor
mir flieht, wie Hippolyt vor Phädra.““ Sie war eine „Apassionata“, wie die
Italiener in ihrer pittoresken Sprache eine Frau mit Temperament nennen.
Der Sohn aus dieser Ehe war, als der Weltkrieg ausbrach, belgischer Ge-
sandter in Berlin. Als solcher hatte er leider Gelegenheit, die Kopflosigkeit,
die klägliche Ungeschicklichkeit unserer damaligen diplomatischen Leitung
aus nächster Nähe zu beobachten und darüber eingehend und leider zu-
treffend an seine Regierung zu berichten. Er äußerte in den ersten August-
tagen des tragischen Jahres 1914 zu einem italienischen Diplomaten, der es
mir bald nachher wiedererzählte: ‚‚Die deutsche Armee ist die erste Armee
der Welt. Das deutsche Volk ist wunderbar diszipliniert und organisiert.
Aber von solchen Staatsmännern geführt, kann kein Volk siegen. Das gibt
mir Mut und Hoffnung für den Ausgang dieses Krieges.“
Fast in jedem Jahr erschien der damalige Prinz von Wales in Paris,
das ihm besser gefiel als irgendeine andere Stadt des Kontinents. Er ver-
kehrte in allen Kreisen, mit den Prinzen des Hauses Orleans, die er als Ver-
wandte, und mit den Söhnen des Hauses Rothschild, die er als Freunde
behandelte, mit Politikern und mit Lebemännern, mit den Douairieren
vom Faubourg Saint-Germain und mit den Damen der Welt, die Alexandre
Dumas fils die „halbe‘“ genannt hat. Er lud mich, wenn er nach Paris kam,
regelmäßig zum Luncheon zu sich, als einen Freund seines Schwagers, des
Königs Georg von Griechenland, und, wie er die Liebenswürdigkeit hatte
mir zu sagen, auch als Jugendgespielen seiner Gemahlin. Er unterhielt sich
jedesmal eingehend und klug mit mir. Die persönlich freundliche Gesinnung,
die er schon dem jungen Diplomaten zeigte, hat der spätere König
Eduard VIl. mir bis zu seinem Tode bewahrt. Sie hat eine sogenannte Ein-
kreisungspolitik nicht verhindert, aber manche Spitze umgebogen, manche
Ecke abgerundet, vieles erleichtert und das Schlimmste verhütet.
Mit Vorliebe besuchte ich in Paris die Museen und Galerien, die in ihrer
Art einzig sind. Diese Liebhaberei sollte mich meinem Lebensglück zu-
führen. Es war im Frühjahr 1883. Ich befand mich, wie schon oft, im
Louvre. In der Salle carree, vor der „Hochzeit von Kana“ des Paolo
Veronese, begegnete ich zwei Damen, die ich lange nicht geschen hatte,
aber sofort wiedererkannte. Die eine war Donna Laura Minghetti, die
andere ihre Tochter, die Gräfin Marie Dönhoff. Die Mutter sah trotz ihrer
fünfzig Jahre noch ganz jugendlich aus und strahlend schön. Die Tochter
erschien mir noch anmutiger und reizvoller als in Florenz und Wien, Ich