Alfons XII.
insulltiert
Fürstin
Ouroussow
532 DIE KREUZER-SONATE
Trotzdem glaubte niemand, daß der Besuch des Königs Alfons XII.
von Spanien, der, nachdem er den deutschen Manövern in Hessen bei-
gewohnt hatte und bei diesem Anlaß zum Chef des in Straßburg garniso-
nierenden preußischen Ulanenregiments Nr. 15 ernannt worden war, über
Paris in seine Heimat zurückkehren wollte, zu Zwischenfällen führen werde.
Es kam aber anders. Als der König vom Balınhof zur Spanischen Botschaft
fuhr, wurde er in der „capitale de la civilisation‘ mit Pfeifen, Schreien und
höhnischen Zurufen begrüßt, nicht nur von dem Pöbel auf der Straße,
sondern auch und besonders von dem eleganten Pöbel an den Fenstern der
Klubs, der großen Hotels und der eleganten Restaurants. Unmittelbar nach
seinem Eintreffen empfing der König das Diplomatische Korps. Seine
Haltung war königlich. Zu mir, dem deutschen Geschäftsträger, sagte er,
indem er auf meine Königshusaren-Uniform deutete, mit lauter Stimme und
in französischer Sprache: „Ich freue mich, eine preußische Uniform zu
sehen. Ich bin stolz darauf, daß auch mir Seine Majestät der Kaiser und
König, Ihr allergnädigster Herr, eine preußische Uniform verliehen hat.
Hier scheint man sich darüber zu ärgern. Das ist mir vollkommen gleich-
gültig.‘“ Fürst Bismarck nahm diesen Zwischenfall mit großer Ruhe. Er
telegraphierte mir, daß es Sache der Spanier sei, Beschwerde zu führen
und Genugtuung zu verlangen. Diese Beschwerde erfolgte in sehr schüch-
terner Weise. Die Genugtuung bestand darin, daß Präsident Grevy erst dem
König Alfons, dann noch einmal dem spanischen Botschafter mündlich
und kühl sein Bedauern aussprach. Karl V. und Philipp II. würden sich
damit wohl nicht zufriedengegeben haben. Die Franzosen aber hatten
wieder einmal gezeigt, daß sie noch immer, um mit Tocqueville zu reden,
„la plus brillante et la plus dangereuse des nations de l’Europe‘ waren, das
verzogene Kind, das sich alles erlauben zu dürfen glaubt und dem alles
durchgelassen wird.
Wenn ich an meinen fast sechsjährigen Aufenthalt in Paris zurückdenke,
so erinnere ich mich gern an meine freundschaftlichen Beziehungen zu einer
russischen Fürstin und zu einem deutschen Journalisten, die beide weder
Stellung noch Geld noch äußere Vorzüge besaßen, aber wertvolle Menschen
waren.
Die Fürstin Monia Ouroussow hatte sich für die Erziehung ihrer
Kinder in Paris etabliert. Ihre Mutter, die Tochter eines steinreichen
russischen Großgrundbesitzers, des Kammerherrn Malzow, war während
vieler Jahre die intime Freundin der Kaiserin Maria Alexandrowna ge-
wesen. Ihr Gatte, der Fürst Ouroussow, war Gouverneur eines der neunund-
achtzig russischen Gouvernements. Mit ihren Eltern war sie brouilliert. Ihr
Mann, ein enthusiastischer Anhänger des großen Leo Nikolajewitsch Tolstoi,
hielt es, nachdem er die Kreuzer-Sonate gelesen hatte, für seine Pflicht, den