LIEBESGELÖBNIS 539
fromme Äneas seinen Stabstrompeter Misenus begraben. Virgil hat
mit vier Versen diesem Grabmal den Stempel der Unvergänglichkeit
aufgedrückt:
At pius Aeneas ingenti mole sepulcrum
inposuit, suaque arma viro remumque tubamque
monte sub aereo, qui nuno Misenus ab illo
dicitur aeternumque tenet per saecula nomen.
Hier bietet sich dem Auge die herrlichste Aussicht dieser paradiesischen
Gegend. Wir erblickten die Golfe von Neapel und von Gaeta und die Kette
der sie umschließenden Berge. Um uns Seen und Buchten, Landstreifen
und Meerengen, Vorgebirge und das blau leuchtende Mittelmeer und über
uns der blau strahlende Himmel. Dem Meere zu ein mittelalterlicher
Wachtturm. Überwältigt von dem Glück, nebeneinander zu stehen, ge-
lobten wir uns, was auch kommen möge, trotz aller Schwierigkeiten und
aller Hindernisse und gegen alle Widerstände jene Liebe ohne Ende, die das
Höchste auf dieser Erde ist. „Sich hinzugeben ganz und eine Wonne zu
fühlen, die ewig sein muß! Ewig! Ihr Ende würde Verzweiflung sein. Nein,
kein Ende! Kein Ende!“
Am nächsten Tage fuhr ich über Palermo nach Tunis. Der dortige
Ministerresident Paul Cambon, den ich schon kannte und für den ich über-
dies ein Empfehlungsschreiben des französischen Ministers des Äußern bei
mir führte, war auf Urlaub. Statt seiner empfing mich in liebenswürdiger
Weise der Erste Sekretär der Residentur, Monsieur d’Estournelles. Auch
zu ihm habe ich bis zu dem so vieles zerstörenden Weltkrieg in freund-
schaftlichen Beziehungen gestanden. Er hat mich noch kurz vor meinem
Rücktritt als Reichskanzler in Berlin besucht und dort einen taktvollen
und klugen öffentlichen Vortrag über Motive und Ziele eines vernünftigen
Pazifismus gehalten. Hätten nur alle auf ihn gehört! Statt dessen ließ die
Bosheit der einen, die Ungeschicklichkeit der andern die Welt in den
Krieg stolpern.
In Tunis frug mich d’Estournelles, wo und wie ich mich auf Nordafrika
vorbereitet hätte. Ich erwiderte ihm: ‚Nur mit Flaubert, mit Salambö.“
Darauf er: „Bravo, vous ne pouviez trouver un meilleur guide pour ici.“
Dank Flaubert und seiner prächtigen Schilderung stieg das alte Karthago
vor uns auf. Wir verstanden das Genie de Carthage, dem zu Ehren am
Schluß des Romans Narr’ Havas, während er den linken Arm stolz um die
Taille seiner Gattin Salamhö legt, mit der Rechten die mit Wein gefüllte
Schale erhebt. D’Estournelles führte mich nordöstlich von Goletta, dem
Hafen von Tunis, dort, wo die Nehrung des Strandsees durchbrochen ist,
zu der Stätte des alten Karthago. Es stand etwa eine Meile nordöstlich von
Nach Tunis