Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Reise 
Bülows 
nach London 
548 DIE ERLEDIGTEN FRANZOSEN 
durch die Unverwüstlichkeit, mit der er bis spät in die Nacht im Cafe 
Anglais oder bei Voisin schwerem Romanee-Conti und Champagner (Extra- 
Dry) zusprach, um am nächsten Morgen bei bester Verfassung zum Früh- 
stück eine Flasche Portwein zu leeren. Ich lud ihm wiederholt zu kleinen 
Soupers diese oder jene meiner französischen Freunde ein, denen er gefiel. 
Er sprach Französisch nicht besonders geläufig, aber originell, und fand 
für jeden seiner Gedanken auch in der fremden Sprache einen treffenden, 
prägnanten Ausdruck. Ich entsinne mich eines ausgezeichneten Frühstücks 
im Cafe Voisin, an dem außer dem klugen und liebenswürdigen Grafen 
Adrien Montebello auch Camille Barrere, der künftige Botschafter in Rom, 
und die Brüder Cambon teilnahmen, die gleichfalls beide Botschafter 
werden sollten. Die Franzosen bewunderten die Trinkfreudigkeit und 
Trinkfestigkeit des jungen deutschen Recken, aber auch seinen Humor und 
seine Schlagfertigkeit. Ich machte Herbert mit Francis Charmes bekannt, 
dem späteren Chroniqueur der „Revue des Deux Mondes“, der ihm durch 
seinen scharfen und klugen Verstand besonders gefiel. Ich führte Herbert 
nach Versailles. Als ich ihm den majestätischen Vorhof zeigte, auf dem sich 
die Statue des Roi-Soleil erhebt, umgeben von den Standbildern von 
sechzehn französischen Feldherren, von Bayard bis Massena, als wir durch 
die Gemäldegalerie gingen, die dem Ruhm Frankreichs geweiht ist („a 
toutes les gloires de la France“), die alle Siege der französischen Heere 
während Jahrhunderten verherrlicht, alle lichten Seiten der „gloire“, ohne 
irgendwelchen Schatten, wies ich auf die unbegrenzte Eitelkeit der Fran- 
zosen hin, über die der zu einer moralischen Betrachtung der Dinge 
geneigte Deutsche den Kopf schüttele, die aber doch die Quelle des 
unausrottbaren französischen Ehrgeizes, der unverwüstlichen französischen 
Vitalität, vor allem der leidenschaftlichen französischen Vaterlandsliebe 
sei. Herbert meinte: „Das hier ist alles Quatsch, das sind Tempi passati. 
Wir dürfen uns von den Franzosen nicht verblüffen, uns nicht von ihnen 
imponieren lassen. Die Leute sind ein für allemal erledigt.“ Im Gegensatz 
zu seinem großen Vater neigte Herbert seit seiner Jugend, der Staats- 
sekretär später noch mehr als vorher der Botschaftssekretär, politisch 
zur Hybris. 
Nicht lange nachdem Herbert Bismarck aus Paris nach London zurück- 
gekehrt war, erhielt ich einen Brief von ihm, in dem er mich dringend und 
herzlich einlud, für einige Tage herüberzukommen. Nicht nur würde mein 
Besuch ihm persönlich eine Freude sein, sondern auch im dienstlichen 
Interesse fände er es nützlich, daß ich mir London einmal ansähe und dort 
Beziehungen anknüpfe. Er proponierte mir, bei seinem und meinem 
Freunde, dem Zweiten Sekretär der Kaiserlichen Botschaft, dem Grafen 
Friedrich Vitzthum, abzusteigen, der mich gern in seiner hübschen und
	        
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