Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

HERBERT BISMARCKS REVOLVER 993 
sekretäre des Innern und des Krieges, Sir W. Vernon-Harcourt und den 
Marquis of Hartington, den späteren Herzog von Devonshire, einlud. Auch 
Sir Charles Dilke, der Präsident des Local Government Board, nahm 
an diesem kleinen Feste teil. Er hatte sich damals noch nicht lange von 
einem allerdings mehr akademischen Republikanismus zur Monarchie 
zurückgefunden. Der ungewöhnlich begabte Mann, der mit seinem Buch 
„Problems of Greater Britain“ einer der Vorkämpfer und Bahnbrecher 
des gegenwärtigen, auf föderativer Basis ruhenden englischen Weltreichs 
wurde, ist später an einer wüsten Weibergeschichte gesellschaftlich und 
politisch zugrunde gegangen. Ein andermal lud mir Herbert alte diploma- 
tische Kollegen und Freunde ein, von denen ich mich an die Franzosen 
d’Aunay, den späteren Freund und Vertrauten von Clemenceau, mit seiner 
ehrgeizigen und koketten amerikanischen Frau und den klugen, historisch 
sehr gebildeten Mr. Bapst, an den Dänen Falbe, den Ungarn Hengelmüller 
von Hengervor, den Russen Niki Adlerberg erinnere. 
Als ich mich von Herbert verabschiedete, schenkte er mir einen hüb- 
schen und handlichen Revolver mit der humoristischen Aufforderung, 
damit jeden ,‚vor den Bauch zu schießen“, der mir im Leben feindlich in 
den Weg treten würde. Der Revolver liegt noch neben meinem Schreibtisch 
in der Villa Malta. Ich verließ London mit der Hoffnung, daß ich dort im 
Laufe des Sommers als Erster Sekretär an die Stelle von Herbert Bismarck 
treten und Gelegenheit finden würde, England, wo es mir ausgezeichnet 
gefallen hatte, näher kennenzulernen. 
Am]. Juli 1884 wohnte ich mit viertägigem Urlaub der Hochzeit meines 
Bruders Adolf mit unserer Kusine, der Komteß Carola Vitzthum, bei. 
Die Feier steht heute noch lebhaft vor meinem Gedächtnis. Die Trauung 
fand an der Niederelbe statt, wo ich geboren bin, in der alten Kirche 
von Nienstedten, deren Geistlicher mich getauft hat und auf deren 
stillem Friedhof ich einst begraben werden möchte. Man konnte sich kaum 
ein schöneres Brautpaar denken. Er vierunddreißig, sie kaum zwanzig. Er 
groß, schlank, sehnig, mit ernsten, fast strengen Gesichtszügen und großen, 
nachdenklichen Augen, sie mit wunderschönen, aber etwas melancholischen 
Augen, hübsch gewachsen, aber dabei noch ganz mädchenhaft, zart, voll 
Anmut. Sie war Ehrendame der Kaiserin Augusta gewesen, die auf alle 
Damen ihres Hofes einen günstigen Einfluß ausübte, im Goethischen 
Sinn der Ausbildung und Förderung des menschlich Guten und Schönen. 
Es war eine Liebesheirat im vollen Sinne des Wortes. Sie blickte mit 
zärtlicher Bewunderung und Neigung zu ihm auf, der sich leidenschaft- 
lich in sie verliebt hatte. Kaum zwei Jahre später starb Carola in ihrem 
zweiten Wochenbett. Dreizehn Jahre später fand Adolf einen jähen 
Reitertod. 
Sir Charles 
Dilke 
Heirat Adolfs 
v. Bülow
	        
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