Ein Aufsatz
von
Hans Blum
558 DER FÜRST ÜBER BÜLOWS VATER
Engländer. Unter solchen Umständen verstünde er nicht, was sich die
Deutschfreisinnigen von der Einrichtung verantwortlicher Reichsmini-
sterien versprächen, die sie neuerdings in ihr Programm aufgenommen
hätten. Darauf würde er sich, so lange er im Amte bleibe, auf keinen Fall
einlassen. Das parlamentarische System würde bei der politischen Unfähig-
keit des gebildeten Deutschen zu Zuständen führen wie 1848, nämlich zu
Schwäche und Unzulänglichkeit oben und zu Selbstüberschätzung und zu
immer frecheren Forderungen unten.
Im Nachtrag zu meinem Besuch in Varzin wie zur Kennzeichnung der
Freundschaft zwischen meinem Vater und dem Fürsten Bismarck möchte
ich noch folgendes erwähnen. Drei Jahre nach dem Rücktritt des Fürsten
Bismarck, im Frühjahr 1893, veröffentlichte der Publizist Hans Blum, der
älteste Sohn des 1848 von den Österreichern in der Brigittenau bei Wien
standrechtlich erschossenen Agitators Robert Blum, einen Aufsatz über
Unterredungen mit dem Fürsten Bismarck, in dem er angebliche ungünstige
Äußerungen des Fürsten über meinen Vater wiedergab, dem er unter an-
derm ein allzu scharfes Verhalten gegenüber seinen dienstlichen Unter-
gebenen vorgeworfen habe. Mein Bruder Christian, Rittmeister bei den
2. Gardedragonern, der bald nachher Herbert Bismarck in Sorrento
begegnete, stellte ihn zur Rede und bat um Aufklärung. Am 31. März 1893
schrieb mir, nach Schönhausen zurückgekehrt, Herbert Bismarck: „Ihr
Brüder Christian wird Ihnen über unsere Unterredung in Sorrento geschrie-
ben haben. Nachdem wir die mit erheblicher Hetzerei verbundene italie-
nische Reise hinter uns hatten, habe ich während der Muße in Fiume an
meinen Vater darüber geschrieben und fand bei meinem Eintreffen hier vor
drei Tagen seine Antwort vor, aus der Sie folgende Stellen interessieren
werden. Auf der ersten Seite sagte er: ‚Ich habe mit Blum unbefangen
konversiert, weil seine parlamentarische Tätigkeit im Hinblick auf den Tod
seines Vaters ihn mir nähergebracht hatte. Er war für mich kein Unbe-
kannter, und er hat meine Unbefangenheit ungeschickt und ungenau aus-
gebeutet. Soviel ich mich erinnere, ist übrigens in seinen Indiskretionen der
Name Bülow gar nicht vorgekommen. Bülow im Blumschen Sinne zu beur-
teilen, hat mir ferngelegen. Er war ein so anständiger, liebenswürdiger
Freund für mich, daß er als Beamter weit mehr Schärfen hätte haben
können, als ich an ihm je kennengelernt habe. Ich würde doch von ihm mit
keinen anderen Gefühlen als denen des Wohlwollens geschieden sein, wel-
ches ich auch, nachdem er krank war und in Potsdam wohnte, persönlich
betätigt habe. Ich glaube, er war der einzige, der Ähnliches von mir erlebt
hat.‘ Ich freue mich, Ihnen diesen Auszug aus dem Briefe meines Vaters
mitteilen zu können, da ich weiß, daß Sie darüber Befriedigung empfinden
werden. Ich füge weiter nichts hinzu, da ich Ihrem Bruder gegenüber sehr