Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

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DIE HERRIN LIEBE 
Nicht so, wie sich das feige Volk ihn malet, 
Begleitet er zuweilen 
Den kleinen, zarten Liebesgott getreulich. 
Da sieht man sie gesellt die Welt durcheilen, 
Zum Trost für weiser Herzen einsam Schmachten. 
Und weiser wird niemals ein Herz erscheinen 
Als das des Liebenden, noch mutbeseelter, 
Das Leben zu verachten, 
Und nie so gern ertragen wir Gefahren 
Für andere Herren als für die Herrin Liebe. 
Die deine Hilf erbaten, 
O Liebe, sehn, erwacht zu höherm Triebe, 
Den Mut, und klug in Taten, 
Nicht in Gedanken bloß, wie sonst sie pflegen, 
Sind dann die Menschenkinder allerwegen. 
Erwachen, die da schliefen, 
Die Regungen der Liebe, 
Aufs neue wieder in des Herzens Tiefen, 
Da meldet seltsam sich zugleich mit ihnen 
Ein lebensmüdes Sehnen nach dem Tode. 
Nicht weiß ich wie. Doch allen so erschienen 
Ist dies als echten Liebens erste Wirkung. 
Vielleicht erschreckt das Auge 
Sodann die Öde dieser Weltumzirkung. 
Vielleicht ist schal die Farbe dann den Blicken 
Des Menschen, ohne jenes 
Unendliche und Neue, 
Das einzig ihn vermöchte zu beglücken! 
Und großen Lebenssturm um seinetwillen 
Sieht er voraus und trachtet 
Nach Ruh, strebt, in den Hafen sich, den stillen, 
Zu flüchten vor dem wütenden Verlangen, 
Das ihn gewittergleich erfüllt mit Bangen. 
Und dann, wenn überwunden 
Ihn ganz die Macht, die hehre, 
Und in der Brust ihm tobt zu allen Stunden 
Das Leid — oh, wieviel Male 
Ruft dann sein Herz, das schwere, 
Herbei den Tod, zum Trost für seinen Kummer! 
Wie oft des Abends und wie oft im Strahle 
Des Morgens, stets noch unerquickt vom Schlummer, 
Meint er beglückt sich, wenn’s vergönnt ihm wäre, 
Nie wieder zu erheben 
Vom Lager sich, nie mehr das Licht zu schaun!
	        
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