386 Bülow IV
„DEN MUTBESEELTEN GEISTERN“ 561
Und oftmals bei dern Klang der Totenglocke,
Beim Liede, das geleitet
Den Menschen hin zu des Vergessens Auen,
Da hört man ihn mit Seufzern
Den Glücklichsten beneiden,
Den er so sieht von dieser Erde scheiden.
Sogar das Volk, das roh und unbelehret,
Der Landmann, unerfahren
Der Tugenden, die Bildung nur bescheret,
Das Mägdlein auch, dem sonst der Mut zu schwinden
Beginnt beim bloßen Nennen
Des Todes mit emporgesträubten Haaren:
Es wagt, aufs Grab und auf des Todes Binden
Den Blick zu richten, fest und standhaft Eisen
Und Gift erwägt es, ruhig,
Gefaßt nun lange Stunden,
Und klar wird ihm die Schöne
Des edlen Tods im Geiste, dem unweisen,
So sehr erzieht zum Tod die Menschensöhne
Der Liebe Zucht. Und oft, wenn schier unsäglich
Herangewachsen ist die Qual im Herzen,
Daß ird’scher Kraft sie nimmer deucht erträglich,
Dann weicht dem Stoß der Schmerzen
Der schwache Leib und obsiegt solcherweise
Die brüderliche Macht des Todes — oder
So stark ist im Gemüt der Sporn der leise
Des tiefen Liebesdranges, daß gewaltsam
Mit ihren eigenen Händen
Der rohe Landmann und das schwache Mägdlein
Ihr ird’sches Los vollenden unaufhaltsam.
Die Welt bespöttelt solches Los — sei Frieden
Und hohes Alter ihr doch stets beschieden!
Den heißen, den beglückten,
Den mutbeseelten Geistern
Gewähr das Schicksal einen von euch beiden,
Willkommen Herrn und Meistern
Und Freunden dieser Menschheit,
Die nichts im All an Macht so kann erreichen
Als das Verhängnis. Du, den vom Beginn
Des Lebens an ich rufe stets und ehre,
Mit wandellosem Sinne,
Du, holder Tod, der einzig
Mitleidig auf dies Dasein blickt, das schwere,
Wenn je du dich gepriesen