Zwei Kaiser
ın Kremsier
586 MEGALOPSYCHIA
Herbert sagte: „C’est a prendre ou a laisser. Wenn mir der Konsens für die
Heirat verweigert wird, von der nicht nur mein Lebensglück abhängt,
sondern auch das Glück der Frau, die ich liebe, so gehe ich. Ich kann auch
als Privatmann leben und sehr zufrieden leben. An der Seite der Frau, die
ich liebe, und mit einigen guten Büchern halte ich es überall aus.“ Ich
möchte schon hier erwähnen, daß Graf Karl Dönhoff nach meiner Ver-
heiratung noch lange unserer Karriere angehört und auf seinem Dresdener
Posten weiter gute Dienste geleistet hat. Als er, nicht lange vor seinem Tode,
aus Gesundheitsrücksichten mit dreiundsiebzig Jahren um seinen Abschied
bat und diesen in einer für ihn sehr schmeichelhaften Form erhielt, schrieb
er mir, es sei für ihn bei seinem Rücktritt „Ehrenpflicht“, mir für das
Wohlwollen zu danken, das ich ihm mit ebensoviel Güte wie Takt als sein
Vorgesetzter während zehn Jahren bewiesen hätte. Im Leben wie in der
Politik lassen sich auch schwierige Situationen meistern: mit Klugheit und
mit jener Eigenschaft, welche die alten Griechen Meyalowvxia nannten —
Großzügigkeit.
Der Sommer 1885 verlief politisch ruhig. In der innern russischen Politik
triumphierte auf allen Gebieten die Reaktion. Der katholische Bischof von
Wilna wurde in die Verbannung nach Jaroslaw an der Wolga geschickt, weil
er unter Umgehung des vorgeschriebenen Weges eine direkte Korrespondenz
mit Rom geführt hatte. Der von ihm nach seiner „Verschickung‘ zum
Verwalter seiner Diözese eingesetzte Domherr wurde aus einem ähnlichen
Grunde nach Koly am Eismeer deportiert. Ich war befreundet mit dem
Fürsten Kantakuzen, dem Vorsitzenden des Departements für die fremden
Kulte. Er war ein gebildeter und liebenswürdiger Mann und mit einer
charmanten Französin verheiratet. Wenn ich ihn in seiner Amtswohnung
aufsuchte, wartete in seinem Vorzimmer immer eine Anzahl katholischer
Geistlicher, die ad audiendum verbum befohlen waren und zitternd seines
Urteilsspruches harrten. Den evangelischen Pastoren in den baltischen
Provinzen ging es nicht viel besser.
Im Gegensatz zu so üblen und traurigen inneren Verhältnissen stand die
auswärtige russische Politik unter dem günstigen Einfluß der Begegnung
von Skierniewice und der dort zwischen den drei Kaisermächten getroffenen
Abmachungen. Ende August 1885 fand in Kremsier, der mährischen
Bezirkssiadt, wo vom November 1848 bis zum März 1849 der erste öster-
reichische Reichstag getagt hatte, eine Begegnung der Kaiser von Österreich
und Rußland statt, die von ihren Ministern Kälnoky und Giers begleitet
waren. Die Entrevue verlief gut. Die Kritik der ungarischen Presse, die
in dieser Zusammenkunft eine Stärkung der Slawen innerhalb der habs-
burgischen Monarchie und damit eine Gefahr für den Dualismus und die
magyarische Rasse sehen wollte, blieb mit Recht unbeachtet. Anfang