DER BATTENBERGER 587
September stattete Herr von Giers dem Fürsten Bismarck in Friedrichsruh
einen Besuch ab, der nach den der Botschaft zugegangenen vertraulichen
Mitteilungen sehr gut verlief. Da trat am 18. September 1885 ein Ereignis
ein, das mein Chef, der Botschafter von Schweinitz, sofort für die wichtigste
Wendung erklärte, die wir seit 1879 erlebt hätten.
In Ostrumelien, das durch den Berliner Kongreß als autonome
türkische Provinz unter einem türkischen Generalgouverneur konstituiert
worden war, brach eine Revolution aus. Die aufständischen Bulgaren
nahmen den türkischen Generalgouverneur gefangen und bildeten eine
provisurische Regierung, die sich um Schutz an den Fürsten Alexander
von Bulgarien wandte. Dieser begab sich nach Philippopel, befahl die
Mobilmachung der Armee, berief die Kammern ein und erließ eine Pro-
klamation, in der er erklärte, er sei durch den Willen des allmächtigen
Gottes wie des edlen bulgarischen Volkes Fürst von Nord- und Süd-
bulgarien geworden. Er erkenne die Souveränität des Sultans an, aber
Ostrumelien habe aufgehört zu bestehen, die Union der beiden Bulgaren-
länder sei eine vollzogene Tatsache und damit das Ideal aller Bulgaren-
herzen erfüllt. Ich habe seinerzeit erzählt, daß während des Berliner
Kongresses die russischen Vertreter mit unermüdlichem Eifer für die
bulgarischen Aspirationen eintraten. Die Ursache dieses Eifers war einerseits
darin zu suchen, daß, wie schon früher Ignatjew, so während der Kongreß-
verhandlungen auch Gortschakow und Peter Schuwalow in den Bulgaren
die besonderen Schützlinge und die treuesten Freunde von Rußland
erblickten. Dazu waren damals noch persönliche Wünsche und Gefühle des
Kaisers Alexander II. getreten. Der Johannistrieb des hohen Herrn für die
hübsche Katharina Dolgorukij hatte seiner erhabenen Gemahlin Kummer
bereitet. Als nobler Herr, der er war, wollte er seine Frau für ihr häusliches
Leid entschädigen. Er wußte, wie sehr sie ihren Bruder, den Prinzen
Alexander von Hessen, und dessen Kinder aus seiner morganatischen
Ehe mit Fräulein Julie Hauke, die Prinzen Battenberg, liebte. So be-
günstigte und förderte er die Designierung des Prinzen Alexander
Battenberg zum Fürsten von Bulgarien und blieb ilım bis zu seinem
Tode ein gnädiger Gönner. Anders Alexander III. Er hatte die „Vet-
tern‘ Battenberg nie gemocht. Namentlich Alexander Battenberg war
ihm antipathisch.
Sobald er von dem Einzug des Fürsten Alexander in Philippopel gehört
hatte, befahl er dem bulgarischen Kriegsminister, dem russischen General
Kantakuzen und allen im bulgarischen Dienste stehenden russischen
Offizieren, ihre Entlassung aus bulgarischen Diensten zu fordern. Einer
bulgarischen Deputation, die den Zaren während seines gewohnten Herbst-
aufenthaltes in Kopenhagen im Schloß Bernstorff umzustimmen suchte,
Das bulga-
rische Ost-
rumelien
AlexanderIII.
bestraft den
Fürsten
Alexander