Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

XLUl KAPITEL 
Salzburg - Besuch bei Marco Minghetti in Rom + In Berlin » Der Abend im Hause 
Bismarck +» Diner im Kronprinzlichen Palais - Besuch des Kronprinzen bei Frau von 
Bülow - Ihr Empfang bei Kaiserin Augusta »- Gespräch mit Kaiser Wilhelm I. » Auf- 
nahme in St. Petersburg » Hof, Gesellschaft und Diplomatie » Das russische Ministerium 
des Äußern: Vlangaly, Lambsdorff . Revolution in Sofia - Bismarcks Stellung zur 
Bulgarischen Frage und zur „Battenbergerei‘ - Berlin im Frühjahr 1887 - Frühstücks- 
tafel beim Kronprinzenpaar » Die Verlobung der Prinzessin Viktoria mit Alexander 
von Battenberg, Bismarcks Widerstand 
ir haben die ersten Wochen unserer jungen Ehe in Salzburg verlebt. 
Die anmutige Stadt war in Schnee gehüllt, aber hell schien die Sonne 
vom Himmel, und Sonne war in unseren Herzen. Ich entsinne mich nicht, 
je so froh und glücklich gewesen zu sein. Und vierzig Jahre später sage ich 
mir als alter Mann mit Dank gegen Gott, daß meine Ehe mir nur Glück und 
Segen gebracht hat. 
Von Salzburg fuhren wir nach Rom, von wo die Nachrichten über das 
Befinden des Stiefvaters meiner Frau immer ungünstiger lauteten. Wir 
fanden Minghetti in der Tat körperlich sehr elend, aber seelisch gefaßt, klar 
und hell. Zwischen seiner Frau und seiner Stieftochter im Lehnstuhl 
sitzend, verbreitete er sich in längeren Gesprächen über die höchsten 
Gegenstände, mit denen sich der menschliche Geist beschäftigen kann. 
Goethe sagt irgendwo, daß bei erlesenen Menschen am Ende ihres Lebens 
ungewöhnliche Gedanken aufsteigen, die gleich seligen Dämonen sich auf 
hohen Berggipfeln niederlassen (so oder ähnlich — ich zitiere aus dem Ge- 
dächtnis). Trotz der grausamen Schmerzen, die ihm sein tückisches Leiden, 
ein Blasenkrebs, bereitete, hat Minghetti im Laufe des Sommers 1886 noch 
Turin aufgesucht. Turin hatte ihm bitter gegrollt, als er durch die italie- 
nisch-französische Konvention vom 15. September 1864 die italienische 
Hauptstadt nach Florenz verlegt hatte. Es war ihm eine letzte Freude, sich 
vor seinem Ende mit der Stadt zu versöhnen, von der die italienische Ein- 
heitsbewegung ausgegangen war, mit den Piemontesen, in denen er, wie er 
gern sagte, die Preußen Italiens sah und hochachtete. Der sterbende Mann, 
den nur seine Frau, Donna Laura, begleitete, wurde in Turin von der ganzen 
Bevölkerung mit herzlichster Ehrerbietung empfangen. Nachdem er mit 
38 Bülow IV 
Von Salzburg 
nach Rom
	        
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