Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

KEUDELLS BESORGNIS 595 
Frau in einem kleinen Toast stotternd begrüßt hatte, erhob sich der 
gleichfalls anwesende und für seine Einfalt berühmte österreichische Bot- 
schafter Graf Ludolf und sprach mit schwungvollen Worten die Hoffnung 
aus, daß ein so reizendes Paar wie Herr und Frau von Bülow recht bald als 
deutscher Botschafter und deutsche Botschafterin in den Palazzo Caffarelli 
einziehen würden. Allgemeine Stille, große Verlegenheit. Keudell erbleichte, 
und die Konversation kam nur langsam wieder in Gang. Nach Aufhebung 
der Tafel nahm er mich beiseite. „Ich war Ihr Chef, Ihr, wie ich mir 
schmeichle, wohlwollender Chef. Sagen Sie mir ehrlich! Hat der große Otto 
Ihnen meinen römischen Posten versprochen ?“ Ich konnte Keudell mit 
gutem Gewissen mein Wort darauf geben, daß mir Fürst Bismarck weder die 
römische Botschaft noch überhaupt eine Botschaft in Aussicht gestellt 
habe. Ich dächte auch gar nicht daran, jetzt schon eine Botschaft anzu- 
streben. Ich sei erst sechsunddreißig Jahre alt, vor fünfzig Jahren pflege 
man nicht Botschafter zu werden. Nach und nach beruhigte sich der gute 
Keudell. Schließlich bin ich acht Jahre später als Botschafter in den Palazzo 
Caffarelli eingezogen. Fata viam inveniunt. 
Von Rom fuhren wir nach bewegtem Abschied von Minghetti und meiner 
lieben Schwiegermutter nach Berlin. Wir saßen schon am ersten Tage im 
Reichskanzlerpalais. Meine Frau mußte rechts vom Fürsten sitzen. Der 
„große Wauwau“, wie ihn junge unehrerbietige Attaches nannten, war die 
Liebenswürdigkeit selbst für seine Nachbarin. Ich bin wenigen älteren 
Männern begegnet, die mit Damen so aufmerksam und so liebenswürdig 
sein konnten wie Fürst Bismarck. Darin glich er seinem ritterlichen Herrn, 
Kaiser Wilhelm I. Mir empfahl der Fürst, mich in St. Petersburg „auch 
fernerhin so nützlich zu machen wie bisher“. Am nächsten Tage wurde 
meine Frau von der Kaiserin Augusta empfangen, neben der ihre Tochter, 
die Großherzogin Luise von Baden, saß. Beide waren für meine Frau nicht 
nur voll Güte, sondern sie gaben ihr aus der Fülle ihrer Lebenserfahrung und 
Lebensweisheit vortreffliche Ratschläge für die sie in St. Petersburg erwar- 
tenden Aufgaben. Die Kaiserin Augusta und ihre Tochter waren wahre und 
echte Vertreterinnen des „Geistes von Weimar“. Während der Audienz 
meiner Frau bei der Kaiserin trat der Kaiser ein. „Ich muß mir doch die 
reizende Frau ansehen“, sagte er lächelnd zur Kaiserin, „‚die einem meiner 
besten Diplomaten den Kopf verdreht hat.‘ Ernahm dann Platz und erkun- 
digte sich bei meiner Frau nach einer Anzahl schöner Italienerinnen, denen 
er in seiner Jugend begegnet war und für die er noch schwärmte. Ach, sie 
waren, soweit sie noch lebten, inzwischen siebzig und achtzig Jahre alt 
geworden. 
Wir aßen en famille beim Kronprinzen und der Kronprinzessin, die 
Die Neu- 
vermählten 
bei Bismarck 
und dem 
Kaiser 
Beim Kron- 
meine Frau wie eine Tochter empfingen. Die Kronprinzessin sprach, ihrer prinzenpaar 
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