Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BISMARCK ÜBER DIE FRAUEN 597 
Moskauer Bojarengeschlechter, hatte sie in ihrer ersten Ehe einen Fürsten 
Beloselsky geheiratet, in der zweiten Ehe den Fürsten Kotschubey. Sie war 
die verkörperte Etikette, sie war voll Vorurteile, aber sie war ein Original 
und ein Charakter. Ihr Schwiegersohn, der General Durnow, der Mann von 
Missy, war Präsident des Slawophilen Wohltätigkeitskomitees und als 
solcher natürlich ein enragierter Panslawist. Als einmal bei einem Diner 
ein lebhafter Streit über bulgarische Vorgänge entstand, meinte die Fürstin 
Helene schließlich: „Je ne comprends pas, comment on peut tant s’occuper 
des Bulgares, qui sont des gens si peu comme il faut.‘‘ Meine Frau gefiel 
ihr gut. Am besten gefiel ihr deren politische Harmlosigkeit. Als mich im 
Winter 1886/87 meine Frau einmal frug, wer eigentlich die zwei Generäle 
seien, von denen so viel gesprochen würde, Boulanger und Kaulbars, 
machte ich mir den unpassenden Scherz, ihr zu sagen, Boulanger sei ein 
nach Bulgarien entsandter russischer General und Kaulbars französischer 
Kriegsminister. Jeder politisch Unterrichtete wußte, daß umgekehrt Bou- 
langer französischer Kriegsminister und Kaulbars russischer General und 
diplomatischer Vertreter in Sofia war. In ihrer Unschuld frug meine Frau 
während einer Soiree bei der Fürstin Helene, wie es eigentlich komme, daß 
der russische Vertreter in Bulgarien einen französischen Namen führe und 
der französische Kriegsminister einen deutschen. Alle Welt lachte. Nur die 
Fürstin Kotschubey meinte: „Je vous ai dit que cette petite femme £tait 
de-li-cieuse. Elle a mille fois raison de ne pas s’occuper de politique.“ Der 
gleichen Ansicht war übrigens auch Fürst Bismarck. Als ich ihm ein Jahr 
später diese Äußerung der Fürstin Kotschubey wiedererzählte, meinte er: 
„Ich gratuliere Ihnen, daß Ihre Frau politisch so ahnungslos ist. Desto 
besser für sie selbst und für Sie. Die Frauen haben Musik und Theater und 
alle Dichter, sie haben sogar die Küche. Von der Politik sollen sie die Finger 
lassen.“ Die Fürstin Helene war in ihrer Jugend hübsch gewesen. Sie soll 
namentlich in ihren zweiten Gatten sehr verliebt gewesen sein. Originell und 
echt russisch war folgender Zug an ihr. Da sie eine abergläubische Angst 
vor Einbrechern und vor bösen Geistern hatte, so ließ sie nachts immer einen 
Hausknecht sich auf der Schwelle ihres Schlafzimmers ausstrecken, völlig 
gleichgültig dagegen, daß dieser so der unfreiwillige Zeuge ihrer ehelichen 
Freuden wurde. Der Dwornik störte sie so wenig, wie sie ein treuer Sankt- 
Bernhard-Hund geniert haben würde. 
Ich möchte jedem jüngeren Deutschen, der als Diplomat ins Ausland 
geschickt wird, nochmals empfehlen, freundliche Beziehungen mit seinen 
Kollegen von anderen Missionen zu unterhalten. Er wird auf diese Weise die 
Nachrichten, die er von Inländern erhält, kontrollieren und auf ihre Richtig- 
keit prüfen können. Er wird auch Gelegenheit haben, Neues zu hören. Vor 
allem aber wird er Beziehungen anknüpfen können, die ihm für seine weitere 
Die anderen 
Missionen
	        
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