Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Iswolski 
Umsturz in 
Bulgarien 
Die Regierung 
Stambulows 
600 „BOSHE ZARJA KRANI! 
russischen Ministerium des Äußern damals Alexander Petrowitsch 
Iswolski. Ich spielte oft mit ihm im Klub. Da er meine guten Beziehungen 
zu Sinowjew kannte, der sein direkter Vorgesetzter war, so bat er mich, mit 
diesem freundlich über ihn zu sprechen. Als ich Sinowjew die brillanten 
Eigenschaften von Iswolski rühmte, antwortete er in der ihm eigenen 
groben Art: „Iswolski zieht sich an wie ein Affe. Wer grell karierte Hosen 
und dazu einen blauen Schlips trägt, ist kein brauchbarer Beamter.“ 
Am 20. August 1886 begegnete ich auf einem Diner bei dem englischen 
Botschafter, Sir Robert Morier, Herrn Vlangaly. Als wir zusammen die 
Treppe hinabstiegen, schlug Vlangaly mir eine gemeinsame Fahrt nach den 
Inseln vor. Das würde uns beiden nach der großen Hitze des Tages eine 
wohltuende Erfrischung sein. Während uns die Troika, von drei flotten 
Pferden gezogen, an schönen Landhäusern und anmutigen Parkanlagen 
vorbeiführte, erging Vlangaly sich in trüben Betrachtungen über die Ver- 
antwortung, die in gewissen Momenten zentnerschwer auf den Schultern 
des Leiters der auswärtigen Politik eines großen Reiches und seiner Mit- 
arbeiter ruhe. Am nächsten Tage verstand ich die Besorgnisse, die während 
unserer nächtlichen Fahrt Vlangaly sichtlich erfüllt hatten. Der Telegraph 
meldete, daß in Sofia eine Revolution ausgebrochen war. Ein meuterndes 
bulgarisches Kavallerieregiment hatte den Konak des Fürsten Alexander 
umzingelt. Offiziere der Junkerschule waren in sein Schlafzimmer einge- 
drungen, hatten ihm seine Absetzung notifiziert und ihn mit vorgehaltenem 
Revolver nach Rahova an der Donau gebracht, dort in seiner eigenen Jacht 
eingeschifft und nach Reni, einem Städtchen im russischen Gouvernement 
Bessarabien geführt. Hier in Freiheit gesetzt, hatte sich der Fürst nach 
Galizien begeben. Die Nachricht von diesem Handstreich wurde den im 
Lager von Krasnoje Selö zu den Sommermanövern versammelten Regi- 
mentern auf Befehl des Kaisers Alexander III. mitgeteilt. Die Truppe nahm 
die frohe Kunde mit weithin schallendem „Hurra!“ auf und stimmte die 
russische Nationalhymne an: „Boshe zarja krani!“ (Gottschütze den Zaren!) 
Die Freude an der Newa dauerte nicht lange. Kaum hatte sich in Sofia 
eine provisorische Regierung gebildet, die aus dem Bischof Klemens, dem 
ehrwürdigen Metropoliten von Tirnowa, dem Major Gruew, einem der mili- 
tärischen Verschwörer, und dem Führer der russenfreundlichen Kammer- 
fraktion, Zankow, bestand, so trat in Bulgarien ein Rückschlag ein. In allen 
größeren Städten erklärten sich die Garnisonen für den Fürsten. In Sofia 
wurde die russophile provisorische Regierung nach kaum dreitägiger Amts- 
dauer gestürzt und eine neue Regierung gebildet, an deren Spitze der bedeu- 
tendste Politiker des Landes, Stefan Stambulow, trat. 
Inzwischen war Fürst Alexander in Lemberg von seiten der Polen der 
Gegenstand enthusiastischer Ovationen gewesen. Die Begeisterung für ihn
	        
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